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Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferdinand Decker
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willst du dann kein Kind von mir?«
    »Ich … das habe ich gerade eben doch erklärt! Ich finde es unverantwortlich, Kinder zu haben. Unverantwortlich gegenüber der Welt, gegenüber unserem Planeten!«
    »Du hast gesagt, dass du mich liebst!«, ruft sie. Ich muss schlucken.
    »Das habe ich so nicht gesagt«, sage ich ruhig. Vielleicht ein bisschen zu ruhig. Jana reagiert nicht.
    »Ich bin vierunddreißig!«, schluchzt sie. »Mein Gott. Vierunddreißig!«
    »Du siehst jünger aus«, tröste ich. Sie packt mich am Arm.
    »Liebst du mich?«, schreit sie. Ihre Wangen sind nass und rot. Ihr Haar steht in alle Richtungen ab, wie bei einem Wischmopp.
    »Du liebst mich doch?« Jetzt hat sie diesen Hundeblick. Wieder kriege ich das ekelhafte Gefühl im Bauch.
    »Ich …« Jetzt wäre der richtige Moment. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. »Ich … ach, Jana, ich kann so nicht mit dir reden!«
    »Liebst du mich, Henri?«, fragt sie noch mal.
    »Hm«, mache ich. Ich nicke halb und schüttle halb den Kopf.
    Jana lässt meinen Arm los. Sie sitzt und heult vor sich hin.
    »Ich muss noch mal weg«, sage ich.
    Jana reagiert nicht.
    »Tut mir leid«, sage ich. »Ruf mich an, wenn was ist.«
    Beim Aufstehen stoße ich die Bierflasche um und fange sie im letzten Moment mit der Hand.
    »Super Reaktion, was?«, sage ich automatisch. Jana wimmert sprachlos ins Leere. Ich flüchte in den Gang, nehme meine Jacke vom Haken und verlasse das Haus. Draußen wartet ein lauschiger Frühsommerabend. Eine sanfte Brise weht irgendwelche Blütendüfte vor sich her. Ich atme tief ein. Die Spannung fällt von mir ab. Endlich habe ich Klartext mit Jana geredet. Zu lange habe ich mich herumschubsen lassen, habe mich manipulieren und unter Druck setzen lassen. Jana hätte wissen müssen, dass ich nicht ewig mit mir spielen lasse. Sie ist vierunddreißig – na und? Jung genug, um noch einen anderen zu finden. Sie ist immer noch eine gute Partie. Sie ist gebildet, sie verdient gut, sie kann sogar kochen.
    Ich lasse das Auto stehen und spaziere durchs Wohngebiet. Soll ich noch eine rauchen? Würde doch passen zu so einer Situation. Als ich nach dem Päckchen taste, stoße ich auf den Zettel mit Theodoras Nummer – der echten diesmal. Zur Sicherheit schalte ich die Anruferkennung aus. Dann kann ich schnell auflegen, falls jemand anders rangeht. Ich setze mich auf eine Parkbank, stecke eine Zigarette an und wähle. Nach zweimal Klingeln geht sie ran.
    »Hallo?«, sagt sie. Was für eine Stimme! Der letzte Zweifel fällt von mir ab.
    »Hallo, Theodora«, sage ich. Auch meine eigene Stimme gefällt mir. Tief ruhig, melodisch. »Ich hoffe, ich störe nicht?« Freundlich, aber selbstbewusst. Männlich.
    »Ach, du bist es, Henri«, sagt sie. »Ich wusste gar nicht, dass du meine Nummer hast.«
    »Von Linda«, erkläre ich. »Ich wollte dich eigentlich anrufen wegen ein paar Entwürfen. Aber das hat sich inzwischen erledigt.«
    »Hör mal, Henri«, sagt sie. »Es tut mir leid, aber ich kann jetzt gerade nicht telefonieren. Kann ich dich später zurückrufen?«
    »Natürlich«, sage ich. »Kein Problem.«
    »Prima. Bis dann!«
    So einfach geht das. Sie klang nicht einmal sehr überrascht. Ob sie meinen Anruf erwartet hat? Am Ende hat sie sogar Linda benutzt, mir ihre Nummer zuzuspielen. Bei Frauen weiß man nie. Wenn die erst mal ein Auge auf einen geworfen haben …

 
     
     
     
    A ls ich nach Hause komme, ist Jana nicht da. Ich bestelle eine Pizza. Dann setze ich mich vor den Fernseher und trinke Bier. Das Telefon lege ich vor mir auf den Tisch. Theodora kann schließlich jeden Moment zurückrufen. Tut sie aber nicht. Erst viel später am Abend fällt mir ein, dass sie mich gar nicht zurückrufen kann. Schließlich hat sie meine Nummer nicht, weil ich die Anruferkennung ausgeschaltet habe. Ich schreibe ihr eine SMS mit meiner Nummer, aber dann zögere ich. Es wäre doch unsinnig, ihr eine SMS mit meiner Nummer zu schicken, wo ich sie genauso gut noch einmal anrufen kann! Ich lösche die SMS. Es ist elf Uhr, kann ich um die Zeit noch anrufen? Oder dränge ich mich zu sehr auf? Übereifer kommt immer schlecht an. Sie kann mich schließlich morgen bei der Arbeit erreichen. Sie weiß, dass ich wie die meisten Kollegen samstagmorgens immer ein paar Stunden im Büro verbringe, auch wenn sie selbst den Samstag meistens freimacht, worüber der Chef regelmäßig seinen Unmut kundtut. Ich lächle bei dem Gedanken, dass sie in genau diesem

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