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Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferdinand Decker
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ein Glückspilz, oder man sieht mir an, dass mit mir nicht zu spaßen ist.
    So ein leichter Kater hat seine guten Seiten. Mein Magen ist leer, mein Kopf beschwingt. Ich halte an der Tankstelle, trinke einen Kaffee und esse ein Croissant. Als ich zu Hause ankomme, bin ich beinahe ausgelassen.
    Janas Mutter sitzt im Wohnzimmer und schmollt. Ich sehe sie im Vorübergehen durch die offene Tür, aber ich sage nichts. Unter der Dusche hole ich mir einen runter – nicht schuldbewusst und eilig, sondern langsam und genießerisch. Ich denke dabei an die griesgrämige Chinesin. Ob sie so quiekt wie die Mädchen in den japanischen Pornofilmen?
    Einem Impuls folgend, gehe ich nach dem Duschen ins Wohnzimmer.
    »Wie geht es Jana?«, frage ich freundlich.
    »Etwas besser«, sagt Janas Mutter. Sie klingt weniger mürrisch, als ich erwartet habe. »Wir haben viel geredet gestern, das war gut für sie.«
    »Schön«, sage ich und ziehe mich zurück. Ich schlafe mit dem beruhigenden Gefühl ein, alles richtig gemacht zu haben.

 
     
     
     
    I ch erwache mit der Gewissheit, dass dem nicht so ist. Ein lautes Dröhnen reißt mich aus dem Schlaf. Janas Mutter schiebt mit trotzigem Gesicht den Staubsauger vor meinem Bett hin und her. Verwirrt richte ich mich auf. Als sie sieht, dass ich keinen Schlafanzug trage, ergreift sie die Flucht. Mit dem Fuß schalte ich den Staubsauger aus. Die Sonne scheint ins Zimmer. Ich freue mich aufs Büro. Wenn über mich getratscht wird – was soll’s? Es hängt schließlich nur davon ab, wie ich mich aufstelle. Wenn ich mich kleinmache, wenn ich mich schäme, kriege ich die volle Ladung ab. Wenn ich aber stolz und nonchalant im Büro erscheine, mich mit einem Scherz durch alle Gerüchte hindurchlache, dann kann ich sogar das Missgeschick von heute Morgen noch in rechte Bahnen lenken. Beim Verlassen des Hauses ignoriere ich Janas Mutter so vollkommen, dass ich beinahe selbst davon überzeugt bin, dass ich wirklich nicht gesehen habe, wie sie da mit sauertöpfischer Miene im Wohnzimmer herumlungerte.
    Es ist halb drei. Als ich das Büro betrete, fühle ich mich, als käme ich von einer Urlaubsreise zurück. Von allen Seiten werde ich freundlich begrüßt. Keine komi schen Blicke, kein Getuschel, nichts. Linda hat dichtgehalten. Auf dem Tisch liegt ein Zettel vom Chef: » Hambacher Versicherungen sehr zufrieden mit Konzept. Wollen TV-Spot. Gruß Gustaf«. Übersetzt heißt das so viel wie: Hiller, du bist wieder im Rennen. Und dass der Chef mit Gustaf unterschrieben hat, das ist mir erst zwei Mal passiert, das ist wirklich ein gutes Zeichen.
    Es kommt noch besser. Um fünf erscheint Linda mit einem Kaffee; sie fragt, wie es mir geht, sie habe sich Vorwürfe gemacht, mich so wegfahren zu lassen. Da klopft es an der Tür; es ist Theodora, auch mit Kaffee. Sie ist sichtlich enttäuscht, dass ich nicht alleine bin. Sie will sich schon entschuldigen, da springe ich auf und biete ihr mit einer übertrieben galanten Verbeugung meinen Stuhl an, auf eine Art, die keine Widerrede duldet. Linda wirft mir einen Blick zu: Keine Sorge, ich sage nichts – das wusste ich schon, aber der Blick hat eine unbeabsichtigte Wirkung auf Theodora, deren Lächeln jetzt ein bisschen aus der Form gerät … Ich platze beinahe vor Glück. Es ist dasselbe Gefühl wie bei Tetris, wenn man im höchsten Level alle Balken auf einmal aus dem Weg räumt, nur noch besser.
    »Wisst ihr was«, sprudelt es aus mir heraus, »ich bin so froh, dass es euch gibt. Ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen würde ohne euch.«
    Das ist natürlich übertrieben, aber das Gespräch gestern, die seltsame Nacht, der seltsame Tag heute haben mich in eine seltsame Hochstimmung versetzt. Was ich sage, ist ganz egal, wenn ich nur rede.
    Linda lächelt.
    »Na ja«, sagt Theodora nervös. Sie fühlt sich schuldig, weil sie sich in den letzten Tagen kaum hat blicken lassen. Aber gegen meine Fröhlichkeit ist kein Kraut gewachsen. Es dauert nicht lange, und eine freundliche Plauderei ist im Gange. Linda und Theodora können nicht so gut miteinander, ich habe sie noch nie miteinander reden sehen, außer wenn es unumgänglich war, wegen etwas Beruflichem also. Heute ist das anders – in meinem Büro, auf meinem Territorium vertragen sie sich, mir zuliebe.
    Linda muss weg. Theodora bleibt noch.
    »Beeindruckend«, sagt sie, »wie du das hinkriegst, so eine schwierige Situation, meine ich.«
    »Ach«, seufze ich. »Es ist nicht einfach, aber es bringt auch

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