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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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das
Restaurant, in dem man zu Abend essen muß. Sie werden dort bald als Star
paradieren.«
    »Reden Sie kein dummes Zeug.«
    Seine Stimme klang scharf und bösartig.
Ich saß eine Sekunde wie erstarrt, den Stift in der erhobenen Hand.
    »Ich rede kein dummes Zeug. Das ist ein
sehr hübsches Lokal.«
    Er antwortete nicht und sah wie üblich
aus dem Fenster. Ich beendete mein Make-up, zögerte aber seltsamerweise, mir
vor ihm die Lippen zu schminken. Es kam mir unanständig vor, so als würde ich mich
vor einem Kind nackt ausziehen. Ich ging daher ins Badezimmer, malte mir
sorgfältig einen sinnlichen Mund à la Crawford und zog mein liebstes Kleid an,
das nachtblaue, nach einem Modell von Saint-Laurent kopierte. Der Reißverschluß
machte mir zu schaffen, so daß ich Lewis völlig vergessen hatte, als ich
hinausging, und praktisch über ihn, der noch immer auf dem Teppich saß,
stolperte. Er sprang auf und starrte mich an. Ziemlich stolz auf mich lächelte
ich ihm zu.
    »Wie finden Sie mich?«
    »Als Gärtnerin gefallen Sie mir
besser«, sagte er.
    Ich lachte und ging auf die Tür zu. Es
war Zeit, die Cocktails zu mixen. Aber Lewis hielt mich am Arm zurück.
    »Und ich? Was fange ich an?«
    »Was Sie wollen«, sagte ich erstaunt.
»Sie haben den Fernsehapparat, im Kühlschrank ist Lachs... Oder wenn Sie meinen
Wagen haben wollen, können Sie ihn ruhig nehmen...«
    Er hielt mich am Arm fest, seine Miene
war unentschlossen und konzentriert zugleich. Er sah mich an, ohne mich zu
sehen, und ich erkannte diesen blinden Blick wieder, der mich im Vorführsaal so
überrascht hatte: den Blick eines Menschen, der fremd auf dieser Erde ist. Ich
versuchte meinen Arm zu befreien, was mir nicht gelang, und plötzlich wünschte
ich mir Paul herbei.
    »Lassen Sie mich los, Lewis, ich bin
schon spät dran«.
    Ich sprach leise, wie um ihn nicht zu
wecken. Ich bemerkte den Schweiß, der ihm über die Stirn und an den Mundwinkeln
vorbei rann, und fragte mich, ob er nicht krank sei. Endlich sah er mich, er
schüttelte sich und ließ meinen Arm los.
    »Ihre Kette ist schlecht geschlossen«,
sagte er.
    Er legte mir die Hände um den Hals und
machte sehr geschickt die kleine Sicherheitsspange über meinen Perlen zu. Dann
trat er einen Schritt zurück, und ich ging aus dem Zimmer. Länger als eine
Sekunde hatte diese letzte kleine Szene nicht gedauert, aber ich spürte ganz
deutlich, wie auch mir ein leichter Wassertropfen über den Nacken und den
Rücken hinunter rann. Und das hatte nichts mit der körperlichen Erregung zu
tun, die die Berührung einer Männerhand am Hals hervorrufen kann. Diese
Erregung kannte ich gut, und es war nicht dieselbe.
    Paul kam pünktlich. Er benahm sich
Lewis gegenüber reizend — ein wenig herablassend, aber reizend —, und wir
tranken zu dritt einen Cocktail. Mein Optimismus kehrte rasch zurück. Als wir
aufbrachen, winkte ich Lewis einen Abschiedsgruß zu. Er stand regungslos in der
Tür, eine hohe, schmale Silhouette, schön, so schön, zu schön. Der Abend wurde
so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich sah unzählige Freunde wieder, tanzte
zwei Stunden lang mit Paul und fuhr leicht beschwipst mit zu ihm. Ich fand mit
Wonne wieder, was ich lange vermißt hatte: den Geruch von Tabak, das Gewicht
eines Mannes, zärtliche Worte, ins Dunkel der Nacht geflüstert. Paul war
männlich, zärtlich; er sagte mir, daß er mich liebe, und bat mich, seine Frau
zu werden. Ich sagte natürlich »ja«, denn die Lust bringt mich immer dazu, zu
sagen, was man von mir verlangt. Um sechs Uhr morgens ließ ich mich von ihm
nach Hause bringen: Lewis’ Fenster war geschlossen, und nur der Morgenwind bog
die wild wuchernden Gräser in meinem Garten.

SIEBENTES KAPITEL
     
    Ein Monat verging. Lewis hatte zu
drehen begonnen. Er hatte nur eine Nebenrolle in einem sentimentalen
Abenteuerfilm in Farbe, aber abends bei den Probevorführungen »sprengte« er die
Leinwand, und man begann von ihm zu sprechen. Er schien wenig darauf zu geben,
schlenderte im Studio umher, ohne den Mund aufzumachen, verbrachte so viel Zeit
wie möglich in meinem Büro, wo ihn Candy verwöhnte, oder träumte in den alten
Szenenaufbauten Hollywoods, am liebsten in denen der Cowboyfilme der Serie B,
die nie abmontiert werden. Es gibt da ganze aus Fassaden bestehende Dörfer,
hohle, leere Holzhäuser mit Balkons und Treppen, zugleich rührend und morbid.
Lewis ging stundenlang durch diese falschen Straßen, setzte sich auf eine
Treppenstufe, rauchte eine

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