Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
Vom Netzwerk:
Woche. Er hat mir so viel Geld gegeben, daß ich
eine Anzahlung leisten konnte. Da habe ich unterschrieben.«
    Ich war einen Augenblick sprachlos.
    »Wollen Sie allen Ernstes behaupten,
Sie hätten mir einen Rolls gekauft?«
    »Schwärmten Sie nicht davon?«
    »Und Sie haben die Absicht, mir alle
meine Kleinmädchenwünsche zu erfüllen? Sind Sie verrückt?«
    Er machte eine beschwichtigende,
mitleidige Gebärde, für die er mir nicht alt genug zu sein schien. Wir hatten
die Rollen vertauscht, die man Leuten in unserer Situation, die freilich nur
platonisch war, zuzuteilen pflegt. Es wurde komisch. Rührend, aber komisch. Er
mußte es meinem Blick anmerken, denn er errötete.
    »Ich wollte Ihnen eine Freude machen«,
sagte er. »Entschuldigen Sie mich, ich muß heute abend ausgehen.«
    Er stand auf und verließ die Veranda,
bevor ich ein Wort sagen konnte. Ich ging von Gewissensbissen geplagt zu Bett,
stand gegen Mitternacht wieder auf und schrieb ihm einen Dank- und
Entschuldigungsbrief, der so honigsüß ausfiel, daß ich einige Sätze streichen
mußte. Ich schob den Brief unter sein Kopfkissen und lag dann noch lange wach
und wartete auf ihn. Um vier Uhr morgens war er noch immer nicht nach Hause
gekommen, und ich schloß daraus, halb erleichtert, halb traurig, daß er endlich
eine Geliebte gefunden hatte.
     
    Nach dieser schlechten Nacht hatte ich
den Telefonhörer den ganzen Vormittag abgelegt, und so wußte ich nichts von dem
Ereignis, als ich gegen halb eins immer noch gähnend ins Studio kam. Candy
rutschte auf ihrem Stuhl hin und her, die Augen dunkel vor Erregung. Man hätte
meinen können, die elektrische Schreibmaschine sei an ihr Schienbein
angeschlossen. Sie fiel mir um den Hals.
    »Was sagen Sie dazu, Dorothy? Was sagen
Sie dazu?«
    »Mein Gott, wozu denn?«
    Ich stellte mir mit Entsetzen einen
neuen, lohnenden Vertrag vor. Ich machte gerade eine Periode der Trägheit
durch, aber sie würde nicht zulassen, daß ich den Vertrag ablehnte. Trotz meiner
offensichtlichen Gesundheit lassen es sich die Leute seit meiner Geburt
angelegen sein, mich zu überwachen und zu bevormunden wie eine Geisteskranke.
    »Wissen Sie es noch nicht?«
    Ihr Gesicht wurde immer vergnügter.
    »Jerry Bolton ist tot.«
    Ich gestehe schaudernd ein, daß ich
diese Nachricht wie Candy und alle andern im Studio erfreulich fand. Ich setzte
mich ihr gegenüber nieder und bemerkte, daß sie schon die Scotch-Flasche und
zwei Gläser hervorgeholt hatte, wie um das Ereignis zu feiern.
    »Aber wie soll er gestorben sein? Lewis
hat gestern nachmittag noch mit ihm gesprochen.«
    »Er wurde ermordet.«
    Sie war selig. Ich fragte mich, ob
meine hochtrabende Literatur nicht ein wenig an ihrem melodramatischen Akzent
schuld war.
    »Von wem?«
    Sie machte plötzlich eine verlegene,
puritanische Miene.
    »Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen sagen
kann... Es scheint, daß Mr. Bolton... äh... Gewohnheiten hatte, die... die...«
    »Candy«, sagte ich streng. »Alle
Menschen haben irgendwelche Gewohnheiten. Drücken Sie sich deutlicher aus.«
    »Man hat ihn in einem besonderen Hotel
in der Nähe von Malibu gefunden, wo er anscheinend Stammgast war. Er war mit
einem jungen Mann abgestiegen, den man noch nicht gefunden hat. Er ist der
Mörder. Ein schmutziges Verbrechen, hieß es im Rundfunk.«
    Dieser Jerry Bolton hatte sich dreißig
Jahre lang gut verstellt. Dreißig Jahre lang hatte er den untröstlichen,
sittenstrengen Witwer gespielt. Dreißig Jahre lang hatte er effeminierte junge
Schauspieler mit Schmutz beworfen und ihnen die Karriere verdorben. Aus Selbstverteidigung
zweifellos... Es war unglaublich.
    »Warum hat man die Geschichte nicht
vertuscht?«
    »Der Mörder hat sofort die Polizei und
die Zeitungen angerufen. Sie haben die Leiche um Mitternacht gefunden. Es war
zu spät, um noch etwas zu verhindern. Der Besitzer der Bude mußte auspacken.«
    Ich griff mechanisch nach dem Glas auf
dem Tisch und stellte es voll Abscheu wieder nieder. Es war ein bißchen früh
zum Trinken. Ich beschloß, einen Rundgang durch die Studios zu machen. Sie
waren in Aufruhr, ja, ich möchte sagen, es herrschte eine fröhliche Stimmung,
was mir mißfiel. Ich könnte mich nie über den Tod eines Menschen freuen. Alle
diese Leute waren irgendwann einmal von Bolton gedemütigt oder ruiniert worden,
und die zweifache Nachricht von seinem Geheimnis und seinem Tode erfüllte sie
mit krankhafter Begeisterung. Ich beeilte mich, zu Lewis zu kommen. Er drehte
seit acht Uhr

Weitere Kostenlose Bücher