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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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sich meist darin befindet, und reichte sie
mir geöffnet. Ich trank zerstreut einen großen Schluck. Ich weiß, warum man
Menschen, die einen Schock erlitten haben, Alkohol gibt. Weil der Alkohol unter
solchen Umständen scheußlich schmeckt und eine körperliche Abwehrreaktion
hervorruft, die einen leichter als alles andere die Betäubung überwinden läßt.
Der Whisky brannte mir in der Kehle und am Gaumen. Ich kam entsetzt wieder zu
mir.
    »Frank ist tot«, sagte ich.
    Candy versank wieder in ihr
Taschentuch. Ich hatte, immer wenn die Inspiration versagte, reichlich Zeit
gehabt, ihr aus meinem armseligen Leben zu erzählen. Sie mir übrigens auch.
Kurz, sie wußte, wer Frank war, und ich schöpfte daraus ein wenig Trost. Ich
hätte in diesem Augenblick, in dem ich erfuhr, daß er tot war, die Gesellschaft
eines Menschen, der nichts von seiner Existenz wußte, nicht ertragen. Und doch:
Gott weiß, daß der Arme längst verschwunden war, um so gründlicher vergessen,
als er einmal sehr bekannt gewesen war. Der Ruhm ist hier etwas Entsetzliches, wenn
er nicht dauert, etwas Abstoßendes. Durch die wenigen nichtssagenden Zeilen,
die ihm die Presse widmen, durch die undeutlichen, gedankenlosen, boshaften,
kaum mitfühlenden Echos, die sein Selbstmord hervorrufen würde, mußte Frank,
einst der schöne Frank, der beneidete Gatte Louella Schrimps, Frank, der mit
mir gelacht hatte, zweimal sterben.
    Paul war sehr rasch da. Er nahm
freundschaftlich meinen Arm und küßte mich nicht, was mich — ich wußte es — auf
der Stelle zum Weinen gebracht haben würde. Ich habe den Männern, mit denen ich
schlief, stets eine gewisse Zuneigung und Zärtlichkeit bewahrt. Das ist, glaube
ich, etwas ziemlich Seltenes. Aber des Nachts in einem Bett gibt es immer einen
Augenblick, da man dem Mann, mit dem man es teilt, näher ist als der übrigen
Welt, und niemand wird mich vom Gegenteil überzeugen. Diese Männerkörper, so
forsch oder hilflos, so verschieden und so ähnlich und doch so sehr darauf
bedacht, einander nicht zu ähneln... Ich überließ also Paul meinen Arm und wir
gingen. Es erleichterte mich auch ein wenig, daß ich Paul nie geliebt hatte...
Bei dieser Erkundung der Vergangenheit, zu der ich aufbrach, hätte ich nichts
ertragen können, was mir greifbar gegenwärtig gewesen wäre.
    Frank lag schlafend da, gleichgültig,
tot. Er hatte sich aus einer Entfernung von zwei Zentimetern eine Kugel ins
Herz geschossen. Sein Gesicht war daher unversehrt. Ich sagte ihm ohne
übergroßen Schmerz Adieu, etwa so, denke ich mir, wie man von etwas Abschied
nimmt, das einem selbst gehört hat, das man selbst gewesen ist und das einem
eine Granate, eine Operation oder ein häßlicher Gedanke abgetrennt hat.
Seltsam, er war noch immer dunkelblond; ich habe nie einen Mann gesehen, der so
dunkelblond war, und das ist doch eine banale Farbe. Paul beschloß, mich nach
Hause zu bringen. Ich fügte mich. Es war vier Uhr nachmittags, die Sonne
verbrannte uns das Gesicht in Pauls neuem Jaguar, und ich dachte, daß sie nie
mehr Frank, der sie so geliebt hatte, das Gesicht verbrennen würde. Man geht
mit den Verstorbenen sehr lieblos um. Kaum sind sie es, legt man sie in fest
verschlossene schwarze Kisten und dann in die Erde. Man entledigt sich ihrer.
Oder man schminkt und entstellt sie, setzt sie dem fahlen Licht elektrischer
Lampen aus, verwandelt sie, indem man sie erstarren läßt. Ich finde, man müßte
sie zehn Minuten in die Sonne legen, sie ans Meer bringen, wenn sie es liebten,
ihnen ein letztes Mal die Erde darbieten, bevor sie sich für immer mit ihr
vermischen. Aber nein, man bestraft sie für ihren Tod. Bestenfalls spielt man
ihnen ein wenig Bach, Kirchenmusik, die sie meist nicht mochten. Ich fühlte
mich benommen vor Melancholie, als mich Paul vor meiner Tür absetzte.
    »Soll ich einen Augenblick mit
hineinkommen?«
    Ich nickte mechanisch, dann fiel mir
Lewis ein. Aber was ging mich das an! Es war mir völlig gleichgültig, daß Paul
und er einander wie Hund und Katze betrachteten, völlig gleichgültig, was der
eine oder andere dachte. Paul folgte mir also bis zur Terrasse, wo Lewis
regungslos in seinem Schaukelstuhl lag und die Vögel beobachtete. Er machte mir
von weitem ein Zeichen mit der Hand, brach aber die Bewegung ab, als er Paul
sah. Ich stieg die paar Stufen zur Veranda hinauf.
    »Lewis«, sagte ich. »Frank ist tot.«
    Er streckte die Hand aus, berührte mit
zögernder Geste mein Haar, und plötzlich verlor ich die

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