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Der Wächter des Herzens

Der Wächter des Herzens

Titel: Der Wächter des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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Beherrschung. Ich fiel
zu seinen Füßen auf die Knie nieder und begann zu schluchzen; an dieses Kind
gelehnt, das von menschlichem Schmerz nichts wußte. Seine Hand streichelte
sanft mein Haar, meine Stirn, meine nasse Wange. Er sagte nichts. Als ich mich
beruhigt hatte, hob ich den Kopf. Paul war ohne ein Wort gegangen. Und ich
erkannte plötzlich, daß ich aus einem schrecklichen, erbärmlichen Grunde nicht
vor ihm geweint hatte: Weil er es wünschte.
    »Ich bin gewiß kein schöner Anblick«,
sagte ich zu Lewis.
    Ich sah ihm ins Gesicht. Ich wußte, daß
meine Lider geschwollen und meine Züge entstellt waren, aber zum erstenmal in
meinem Leben machte mir das in Gegenwart eines Mannes nichts aus. In Lewis’
Blick, in dem inneren Bild von mir, das er mir zurückspiegelte, sah ich nur ein
weinendes Kind, mich, Dorothy Seymour, fünfundvierzig Jahre alt. Es war etwas
an ihm, etwas Dunkles, Erschreckendes und zugleich Beruhigendes: etwas, was den
äußeren Schein leugnete.
    »Sie leiden«, sagte er nachdenklich.
    »Ich habe ihn lange geliebt.«
    »Er hat Sie verlassen, und er hat seine
Strafe bekommen«, sagte er kurz. »So ist das Leben.«
    »Sie sind kindisch!« rief ich laut.
»Das Leben ist Gott sei Dank nicht so kindisch wie Sie!«
    »Es kann so sein.«
    Er sah mich nicht mehr an. Er
beobachtete wieder die Vögel, zerstreut, beinahe gelangweilt. Ich sagte mir,
daß sein Mitgefühl nicht weit reiche, und dann dachte ich mit Bedauern an
Bretts Schulter, an die Erinnerungen an Frank, die wir gemeinsam hätten
heraufbeschwören können, die Art, wie er ab und zu meine Tränen getrocknet
haben würde, kurz: an die ganze schreckliche, sentimentale, tränenselige
Komödie, die wir hier auf eben dieser Terrasse aufgeführt hätten. Zugleich aber
war ich stolz darauf, daß ich auf sie verzichtet hatte. Ich ging ins Haus. Das
Telefon läutete.
    Es hörte den ganzen Abend nicht mehr
auf zu läuten. Meine ehemaligen Liebhaber, meine Freunde, meine arme
Sekretärin, die Partner Franks, die Journalisten (die noch am seltensten) —
alle bestürmten mein Telefon. Man wußte bereits, daß Louella Schrimp die
Nachricht in Rom erhalten und zum Vorwand genommen hatte, um in Ohnmacht zu
fallen und dann in Begleitung ihres neuen italienischen Gigolos den Schauplatz
zu verlassen. Das Getue widerte mich ein wenig an. Keiner von all denen, die
ihn nun betrauerten, hatte Frank jemals geholfen. Ich war es gewesen, die ihn
entgegen allen amerikanischen Scheidungsgesetzen bis zuletzt materiell
unterstützt hatte. Den Gnadenstoß versetzte mir schließlich Jerry Bolton, der
große Boß der Assembled Actors. Dieser Kerl, der widerlichste von allen,
hatte mir nach meiner Rückkehr aus Europa einen Prozeß nach dem anderen
angehängt, er hatte versucht, mich völlig zu ruinieren, und sich, als er gegen
mich nichts mehr ausrichten konnte, auf Frank gestürzt, sobald er bei Louella
in Ungnade gefallen war. Er war allmächtig, gehässig, niederträchtig bis zur
Verworfenheit, und er wußte, daß ich ihn von Herzen haßte.
    »Dorothy? Es tut mir entsetzlich leid.
Ich weiß, Sie haben Frank sehr geliebt, und ich...«
    »Und ich weiß, daß Sie ihn
hinausgeworfen und dafür gesorgt haben, daß er praktisch nirgends mehr
Unterkommen konnte. Legen Sie bitte auf, Jerry. Ich werde nicht gern grob.«
    Er legte auf. Der Zorn tat mir gut. Ich
ging in den Salon zurück und erklärte Lewis alle meine Gründe, Jerry Bolton,
seine Dollars und seine Ukase zu hassen.
    »Wenn ich nicht ein paar gute Freunde
und eine eiserne Gesundheit gehabt hätte, würde er mich zum Selbstmord
getrieben haben wie Frank. Ich kenne keinen größeren Schuft und Heuchler. Ich
habe noch niemals jemanden den Tod gewünscht, aber ihm möchte ich ihn beinahe
wünschen. Er ist der einzige Mensch, mit dem es mir so geht.«
    So beendete ich meine Rede.
    »Sie sind nur nicht anspruchsvoll genug,
meine Liebe«, sagte Lewis zerstreut. »Es gibt bestimmt noch andere.«
     
     
     

FÜNFTES KAPITEL
     
    Ich saß in meinem Büro in der RKB,
nervös wie eine Katze, und starrte auf das Telefon. Candy war bleich vor
Erregung. Nur Lewis im Besucherfauteuil sah ganz ruhig, beinahe gelangweilt
aus. Wir warteten zusammen auf das Ergebnis seiner Probeaufnahmen.
    Eines Abends, wenige Tage nach Franks
Tod, hatte er sich plötzlich entschlossen. Er war aufgestanden, sehr gerade und
so leicht, als wäre er nie verletzt gewesen, drei Schritte gegangen und
verdutzt vor mir stehengeblieben.
    »Sehen Sie,

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