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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Junge … Junge « mischten. Sie klangen eindringlich, begierig. Verzweifelt. Weiche, flüsternde Stimmen, raue Stimmen. »… wer ist da?« – »… der Weg, er ist der Weg …« – »… frisches Fleisch …« – »… dummes kleines Häschen, leicht zu fassen …« – »… bitte mich herein …« »… nimm mich … « - »… nein, bitte mich … « Innerhalb weniger Sekunden schwoll die Zahl auf ein Dutzend, hundert, tausend an. Sie sprachen alle gleichzeitig; vielleicht klang ihre Rede deshalb so wie bestialisches Murmeln und Knurren, und die Worte, die übrig blieben, waren oft Obszönitäten, die sich zu abgerissenen Sätzen fügten. Schaurige Schreie voller Angst, Schmerz, Enttäuschung und roher Wut verknüpften diese Fetzen heiseren Lärms zu einem Flickenteppich äußerster Bedürftigkeit.
    Frics starkes Herz hämmerte heftig gegen die Rippen, pulsierte in der Kehle, pochte in den Schläfen. Er hatte behauptet, keine Angst zu haben, aber er hatte doch Angst, so sehr sogar, dass ihm keine einzige schlagfertige Bemerkung einfiel. Er konnte nicht einmal den Mund öffnen.
    Und doch faszinierten ihn die durcheinander wirbelnden Stimmen und zwangen ihn zuzuhören. Der Hunger in ihnen, das heftige Verlangen, die jammervolle Verzweiflung, die melancholische Sehnsucht woben ein herzzerreißendes Lied, das an die Saiten seiner immer währenden Einsamkeit rührte. Es sprach zu ihm und versicherte ihm, er müsse nicht einsam bleiben, sondern könne um Gesellschaft bitten; Sinn und Familie warteten auf ihn, wenn er bereit sei, ihm sein Herz zu öffnen.
    Selbst wenn der kehlige Chor wortlos blieb oder knurrend und zischend Obszönitäten ausstieß, die Fric hätten abstoßen sollen, besänftigten die Stimmen ganz allmählich sein Grauen. Sein Herz schlug weiter heftig, aber die Kraft, die das hektische Hämmern verursachte, bestand immer weniger aus Furcht als aus Erregung. Alles konnte anders werden, ausnahmslos und vollständig. Jetzt und für immer, in einem Augenblick. Er konnte ein neues und besseres Leben beginnen, wenn er nur darum bat, ein Leben, aus dem alle Einsamkeit verbannt war, alle Unsicherheit, alle Verwirrung, aller Selbstzweifel und alle Schwäche …
    Fric öffnete den Mund, um etwas zu sagen, was mit ziemlicher Sicherheit eine ähnliche Einladung gewesen wäre wie die, von der die Benutzer eines Ouijabretts aus gutem Grund Abstand nehmen sollten. Auf einmal zog jedoch eine Bewegung am Rand seines Blickfelds seine Aufmerksamkeit auf sich.
    Als er den Kopf drehte, um zu sehen, was ihn da störte, sah Fric, dass das gedehnte Spiralkabel zwischen Hörer und Apparat, das vorher ein sauberer, weißer Kunststoffstrang gewesen war, nun so organisch, rosa und glitschig aussah wie die Schnur, die eine Mutter mit ihrem neugeborenen Kind verband. Ein Puls wanderte pochend durch den Strang. Langsam und schwerfällig, aber stark, bewegte er sich von dem auf dem Boden stehenden Apparat auf den Hörer in Frics Hand zu wie in Erwartung der Einladung, die dem Jungen auf der bebenden Zunge lag.
    Während Ethan an seinem Schreibtisch saß, ein Schinkenbrot verzehrte und sich den Kopf zermartete, um den sechs höhnischen Sendungen von Rolf Reynerd eine Bedeutung abzuringen, schweiften seine Gedanken unwillkürlich immer wieder ab. Er musste an Duncan Whistler denken.
    Im Gartenzimmer des Krankenhauses, wo er vom Verschwinden von Dunnys Leiche erfahren hatte, war ihm in den Sinn gekommen, dass die unheimlichen Vorgänge in Reynerds Wohnung und Dunnys Auftritt als wandelnder Toter etwas miteinander zu tun hatten. Die Tatsache, dass Dunny bei dem Mord an Reynerd offenbar die Finger im Spiel gehabt hatte, war deshalb zwar unerwartet gewesen, aber nicht allzu verblüffend.
    Was Ethan jedoch immer mehr verblüffte, je mehr er darüber nachdachte, war der Vorfall in der Bar, bei dem ihm Dunny um ein Haar in die Arme gelaufen wäre. Um bloßen Zufall konnte es sich da nicht handeln. Dunny war in der Bar gewesen, weil Ethan in der Bar war. Er hatte Dunny sehen sollen.
    Und wenn dem so gewesen war, dann hatte er Dunny auch folgen sollen. Vielleicht hätte er ihn sogar einholen sollen.
    Als Ethan vor dem Hotel gestanden und vergeblich versucht hatte, Dunny in dem ganzen Gedränge und dem Regen zu erspähen, hatte sein Handy geläutet. Nun überlegte er, was sein nächster Schritt gewesen wäre, wenn Hazard ihn nicht so dringend aufgefordert hätte, sich mit ihm in der Kirche zu treffen.
    Er rief die Auskunft an, besorgte sich

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