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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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saß er nun in dieser geduckten Haltung da, den Kopf in beide Hände gestützt, den Telefonhörer in der einen Hand, wie ein Mann, den Gewissensbisse plagten oder der nach dem Empfang einer schrecklichen Nachricht verzweifelt in sich zusammengesunken war.
    Sosehr er sich auch anstrengte, das zu verstehen, was der ferne Sprecher sagte, die Worte durchfluteten ihn, ohne haften zu bleiben. Sie waren so flüchtig wie Wolken-schatten, die vom Mondlicht auf das wogende Meer geworfen wurden.
    Gerade wenn er sich besonders intensiv bemühte, einen Sinn in diesen Tönen zu entdecken, zogen sie sich weiter hinter einen Schleier aus Rauschen und Verzerrung zurück. Vielleicht klärte sich der Redefluss, vielleicht wurde die Stimme stärker, wenn er sich entspannte, aber das gelang ihm nicht. Obwohl er sich den Hörer so fest an den Schädel presste, dass sein rechtes Ohr schmerzte, war er nicht in der Lage, seine verkrampfte Haltung aufzugeben. Dabei hatte er das Gefühl, dass ein kurzer Augenblick der nachlassenden Konzentration genau der Zeitpunkt sein könnte, in dem die Worte verständlich wurden, aber nur, wenn er ihnen gewissenhaft lauschte.
    Die Stimme hatte einen klagenden Klang. Auch wenn Ethan nicht in der Lage war, die Worte zu erfassen und ihre Bedeutung zu entschlüsseln, nahm er einen eindringlichen, flehenden Ton wahr, vielleicht auch eine sehnsüchtige Traurigkeit.
    Als ihm in den Sinn kam, dass er sich wohl schon fünf Minuten vergeblich bemüht hatte, die Worte aus einem Meer aus Rauschen und Schweigen zu fischen, schaute er auf seine Armbanduhr. Sechsundzwanzig nach zwölf. Er war schon fast eine halbe Stunde auf diese Weise ans Telefon gefesselt.
    Sein Ohr, das so lange dem Druck des Hörers ausgesetzt gewesen war, brannte und pochte. Der Nacken fühlte sich steif an, die Schultern schmerzten.
    Überrascht und etwas desorientiert, richtete er sich im Sessel auf. Er war noch nie hypnotisiert worden, aber so musste es sich wohl anfühlen, wenn man die letzten Reste einer Trance abschüttelte.
    Zögernd legte er den Hörer auf.
    Womöglich war die Ahnung einer Stimme in der Leere nur eben das gewesen und nicht mehr, nur eine Ahnung, eine akustische Täuschung. Dennoch hatte er sie mit der zielstrebigen, angestrengten Erwartung eines U-Boot-Fahrers verfolgt, der auf das Pingen eines nahenden, Wasserbomben absetzenden Schlachtschiffs lauschte.
    Er begriff nicht recht, was geschehen war und weshalb er sich so verhalten hatte.
    Obwohl es im Zimmer nicht besonders warm war, wischte er sich mit dem Hemdsärmel über die schweißfeuchte Stirn.
    Er rechnete damit, dass das Telefon gleich wieder läutete. Vielleicht war es dann klug, nicht abzunehmen.
    Dieser Gedanke beunruhigte ihn, weil er ihn nicht begriff. Weshalb sollte man nicht den Hörer abnehmen, wenn es läutete?
    Sein Blick schweifte über Rolf Reynerds sechs Präsente und blieb an den drei Glöckchen aus dem Rettungswagen haften, in dem er nie transportiert worden war.
    Als das Telefon selbst nach zwei, drei Minuten doch nicht geläutet hatte, schaltete er den Computer ein und rief die Telefonliste auf. Der neueste Eintrag war das Gespräch, das er mit dem Hotel geführt hatte, um sich nach Dunny Whistler zu erkundigen.
    Der Anruf, den er soeben empfangen und der fast eine halbe Stunde gedauert hatte, war nicht verzeichnet.
    Unmöglich.
    Er starrte auf den Bildschirm und musste an die Anrufe des Schnaufers denken, von denen Fric erzählt hatte. Offenbar hatte er dessen Geschichte zu voreilig ins Reich der Phantasie verbannt.
    Als Ethans Blick wieder aufs Telefon fiel, sah er, dass das Lämpchen von Anschluss 24 leuchtete.
    Ein Vertreter. Jemand, der sich verwählt hatte. Und doch …
    Hätte er seine Neugier problemlos befriedigen können, dann wäre er sofort in den zweiten Stock geeilt, wo der Anrufbeantworter für Anschluss 24 hinter der verschlossenen blauen Tür eines speziellen Zimmerchens stand. Leider hätte schon das Betreten dieses Raumes ihn den Job gekostet. Für Ming du Lac und Channing Manheim war der Raum hinter der blauen Tür ein heiliger Ort. Nur sie beide durften ihn betreten.
    Sollte ein Notfall eintreten, war Ethan ermächtigt, mit seinem Generalschlüssel jede Tür des Hauses zu öffnen.
    Die einzige Tür, für die der Schlüssel nicht passte, war die blaue.
    Selbst eine Engelschar, der würzige Duft von Fichtennadeln und der Komfort eines riesigen Sessels konnten Fric nicht in den Schlaf wiegen.
    Er stand auf, wagte sich vorsichtig bis

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