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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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verstanden. Es war sein Name: » Ethan … Ethan … Ethan .«
    Was sie sonst noch gesagt hatte, die eindringliche Botschaft, die sie über die weite Kluft zwischen sich und ihm hatte senden wollen, entzog sich ihm immer noch. Selbst im Schlaf, in jenem Raum, neben dem der Tod zu Hause ist, war er Hannah nicht nah genug gewesen, um mehr zu hören als seinen Namen.
    Während die Schleier des Schlafs von ihm abfielen, überkam ihn die feste Überzeugung, dass er beobachtet wurde.
    Jedes Kind kennt es nur zu gut, das Gefühl, aus einem Traum aufzuwachen und zu spüren, dass sich in der Dunkelheit des Zimmers bösartige Wesen verbergen, von mannigfacher Gestalt und mit zahllosen Begierden. Oft scheinen die Dämonen so greifbar anwesend zu sein, dass manch kleine Hand auf dem Schalter der Nachttischlampe zögert – aus Angst, der Anblick könne noch schlimmer sein als das von einer fiebrigen Phantasie geschaffene Bild. Und doch löst sich der Schrecken im Lichtschein immer auf.
    Ethan war sich nicht sicher, ob Licht den Spuk diesmal bannen konnte. Er spürte, dass das, was ihn beobachtete, Eulen und Krähen mit spitzen Schnäbeln waren, Raben und grimmig blickende Falken, die nicht auf seinen Möbeln hockten, sondern auf düsteren Schwarz-Weiß-Fotografien an den Wänden, auf Bildern, die noch nicht da gehangen hatten, als er ins Bett gegangen war. Obwohl die Nacht schon lange in die frühe Schwärze eines neuen Tages übergegangen war, hatte er keinen Grund zu der Annahme, dass der Dienstag die Vernunft weniger verhöhnen würde als der Montag.
    Statt die Hand nach dem Lichtschalter auszustrecken, ließ er sich wieder in die Kissen sinken und fand sich mit den Dingen ab, die sich in der Dunkelheit verbergen mochten.
    Obwohl er bezweifelte, wieder einschlafen zu können, wurden ihm ziemlich bald die Augen schwer.
    Während Ethan träge kreisend am Rand des Schlafs dahintrieb, hörte er von Zeit zu Zeit ein leises Tick-tick-tick . Vielleicht waren es wachsame Krähen, die an einem Eisenzaun die Klauen wetzten, vielleicht auch nur der kalte Regen, der mit kalten Krallen am Fenster kratzte.
    Immer schneller trieb Ethan auf dem Strudel dahin, in dessen Zentrum die Schwerkraft des Schlafs ihn anzog wie ein schwarzes Loch. Als er die Augen ein letztes Mal zu einem Blinzeln öffnete, bemerkte er ein winziges Licht im pechschwarzen Dunkel. Das Telefon. Ohne genauer hinzuschauen, konnte er nicht feststellen, welches der Lämpchen blinkte, aber er wusste rein gefühlsmäßig, dass es sich um Anschluss Nummer 24 handelte.
    Dann glitt er vom Rand des Strudels in die Tiefe, hinunter zu den Träumen, welche auch immer ihn dort erwarteten.

48
    Frei von Neid, frei von Hass, doch beschwingt dem Chaos dienend, begann Corky Laputa seinen Tag mit einem Rosinenbrötchen, vier Tassen schwarzem Kaffee und zwei Koffeintabletten.
    Wer die Gesellschaftsordnung ruinieren wollte, musste alles tun, was ihm einen Vorteil verschaffte, selbst auf die Gefahr hin, dabei die Magenschleimhaut zu zerstören und eine chronische Darmentzündung hervorzurufen. Corky hatte in dieser Hinsicht Glück: Die gewaltige Menge Koffein, die er gelegentlich zu sich nahm, schürte offenbar nur die bittere Kraft seines Zorns und löste weder Verdauungsbeschwerden noch andere bedauerliche Symptome aus.
    Nachdem er das Koffein mit Koffein hinuntergespült hatte, stellte er sich mit seiner Tasse ans Küchenfenster und blickte lächelnd in den düsteren Himmel und den Nebelbart der Nacht, den die stumpfe graue Dämmerung noch nicht ganz weggeschoren hatte. Wieder war das schlechte Wetter sein Verbündeter.
    Die momentane Regenpause war nur kurz. Auf den Fersen des davonziehenden Unwetters näherte sich rasch ein neuer, laut Wetterbericht noch stärkerer Sturm, der die Stadt unter Wasser setzen würde. Da war das Tragen von Regenkleidung mehr als angebracht, selbst wenn diese noch so seltsam aussehen mochte.
    Corky hatte die wetterfesten Innentaschen seines gelben Plastikmantels, der in der Garage am Haken hing, bereits wieder aufgefüllt.
    Die letzte Tasse Kaffee nahm er mit ins Gästezimmer, wo er sie trank, während er Mr. Stinkerkäse mitteilte, dass dessen geliebte Tochter Emily das Zeitliche gesegnet habe.
    Am vorangegangenen Abend hatte er über die letzte Folterung und die grausame Ermordung von Stinkys Frau Rachel berichtet, die natürlich am Leben und nicht einmal in Corkys Händen war. Die erfundenen Einzelheiten waren so phantasievoll und lebendig gewesen, dass

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