Der Wächter
etwa der Schnaufer?«, fragte er.
»Nein, der nicht. Jemand anders.«
»Wer denn?«
»Wahrscheinlich jemand, der sich verwählt hat.«
Fric warf einen Blick auf die Hände des Sicherheitschefs, konnte jedoch nicht beurteilen, ob sie schweißig waren oder nicht.
»Offenbar«, sagte Mr. Truman, »stimmt irgendetwas mit der Software nicht.«
»Falls es kein Geist ist oder so was«, platzte es aus Fric heraus.
Der Ausdruck, der nun über Mr. Trumans Gesicht huschte, war schwer zu deuten. »Ein Geist?«, sagte er. »Wie kommst du darauf?«
Um ein Haar hätte Fric doch noch sein Herz ausgeschüttet, aber da fiel ihm wieder ein, dass seine Mutter ja einmal in der Klapsmühle gewesen war. Sie hatte dort zwar nur zehn Tage verbracht, und das auch nicht, weil sie vorgehabt hätte, den Rest der Menschheit mit der Axt zu bearbeiten, doch darauf kam es nicht an. Wenn Fric anfing, von den abgedrehten Sachen zu erzählen, die geschehen waren, dann erinnerte Mr. Truman sich bestimmt daran, dass Freddie Nielander eine Zeit lang in einer Klinik für vorübergehend Irre gewesen war. Und dann dachte er: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm .
Bestimmt würde er unverzüglich den größten Filmstar der Welt an dessen Drehort in Florida anrufen, und dann schickte der Schattenpapa das besagte Einsatzkommando aus Psychiatern.
»Fric«, sagte Mr. Truman nachdrücklich, »was soll das heißen – ein Geist?«
Fric entschloss sich, einfach Bockmist auf das Körnchen Wahrheit zu schaufeln, das er von sich gegeben hatte, in der Hoffnung, daraus eine halbwegs überzeugende Lüge zu züchten. »Na, Sie wissen doch, dass mein Dad ein spezielles Telefon für Botschaften von Geistern hat. Ich hab bloß gedacht, vielleicht hat sich ja einer von denen verwählt.«
Mr. Truman starrte ihn an, als wollte er ausloten, ob Fric wirklich so dämlich war, wie er sich gab.
Fric wusste, dass er dem Kreuzverhör des früheren Cops nicht lange standhalten konnte. Immerhin war er kein so großer Schauspieler wie sein Vater. Er war so nervös, dass er bestimmt gleich in eine der Plastikdosen pinkeln musste.
»Tja, äh, ich muss jetzt los, hab noch allerhand zu tun, oben in meinem Zimmer, bis dann«, murmelte er und klang dabei wieder wie ein Vetter aus dem schwachsinnigen Zweig der Hobbit-Sippe.
Er lenkte den Wagen um Mr. Truman herum und schob ihn dann ostwärts den Hauptflur entlang, ohne sich auch nur einmal umzudrehen.
50
Das Kuppeldach des Krankenhauses leuchtete wie ein goldenes Signalfeuer. Hoch darüber blinkte das rote Warnlicht am Ende des Antennenmasts, als wäre das Unwetter eine lebendige Bestie mit einem feindseligen Zyklopenauge.
Auf dem Weg von der Garage in den vierten Stock hörte Ethan im Aufzug die üppig instrumentierte Version eines klassischen Elvis-Costello-Titels, die mit Geigen und Waldhörnern aufgeschwemmt war. Offenbar stellte die Kabine, die an ihrem Kabel vierundzwanzig Stunden täglich nach oben und unten fuhr, einen kleinen Außenposten der Hölle in ständiger Bewegung dar.
Die Ärztecafeteria im vierten Stock, zu der man ihn telefonisch geleitet hatte, war nicht mehr als ein öder, fensterloser Raum mit Automaten und zwei Resopaltischen in der Mitte. Die orangefarbenen Plastikdinger, die rund um die Tische standen, verdienten den Namen Stuhl genauso wenig wie der Raum seine großartige Bezeichnung, die an der Tür prangte.
Da Ethan fünf Minuten zu früh angekommen war, steckte er ein paar Münzen in eine der Maschinen und wählte schwarzen Kaffee. Als er an dem Gebräu nippte, wusste er, wie der Tod schmecken musste, aber er trank trotzdem, weil er nur vier oder fünf Stunden geschlafen hatte und den Koffeinschub brauchte.
Dr. Kevin O’Brien kam pünktlich auf die Minute. Er war etwa fünfundvierzig, sah gut aus und legte mit seinem leicht gehetzten Blick die geschickt unterdrückte, aber dennoch sichtbare Nervosität eines Mannes an den Tag, der zwei Drittel seines Lebens der Wissenschaft gewidmet hatte, nur um festzustellen, dass die Krankenversicherungen, die Behördenbürokratie und gierige Anwälte seinen Beruf in den Schmutz zogen und das Gesundheitssystem zerstörten, dem er sich verschrieben hatte. Die Augenwinkel wirkten verkniffen, und er fuhr sich häufig mit der Zunge über die Lippen. Der Stress verlieh seiner blassen Haut einen Grauschimmer. Offenbar war er – zum Nachteil seines Seelenfriedens – ein intelligenter Mensch, der sich nicht länger vormachen konnte, das es sich bei dem Treibsand
Weitere Kostenlose Bücher