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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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unter seinen Füßen in Wirklichkeit um festen Boden handelte.
    Grundsätzlich war für den Patienten Duncan Whistler zwar ein anderer Internist zuständig gewesen, aber Dr. O’Brien hatte Dienst gehabt, als es mit Dunny zu Ende gegangen war. Er hatte die Wiederbelebungsversuche geleitet und schließlich abbrechen lassen. Der Totenschein trug seine Unterschrift.
    Dr. O’Brien hatte drei gut gefüllte Ordner mitgebracht, die die gesamte Krankheitsgeschichte enthielten. Während des Gesprächs breitete er den Inhalt Stück für Stück auf einem der Tische aus.
    Ethan setzte sich neben ihn auf einen orangefarbenen Pseudo-Stuhl, damit sie gemeinsam die Dokumente einsehen konnten.
    Dunnys Koma war die Folge einer zerebralen Hypoxie gewesen, einer ungenügenden Sauerstoffversorgung des Gehirns über einen längeren Zeitraum hinweg. Die auf den EEG-Bogen und den Gehirnaufnahmen – Angiografie, Computer- und Kernspintomografie – erkennbaren Daten führten unausweichlich zu dem Schluss, dass der Patient, wenn er je wieder das Bewusstsein erlangt hätte, erheblich geschädigt gewesen wäre.
    »Selbst bei Patienten im tiefsten Koma«, erläuterte Dr. O’Brien, »bei denen nur wenig oder gar keine Aktivität im Großhirn erkennbar ist, funktioniert der Hirnstamm normalerweise so weit, dass sie einige automatische Reaktionen zeigen. Beispielsweise atmen sie ohne Hilfe weiter. Gelegentlich husten sie, blinzeln mit den Augen oder gähnen sogar.«
    Während seiner Zeit im Krankenhaus hatte Dunny meist selbstständig geatmet. Erst drei Tage zuvor war dieser Automatismus so weit zurückgegangen, dass man ihn an ein Beatmungsgerät anschließen musste. Ohne mechanische Unterstützung hätte seine Atmung ausgesetzt.
    Obwohl er schon in den ersten Wochen im tiefen Koma gelegen hatte, hatte er manchmal gehustet, geniest, gegähnt, geblinzelt. Ab und zu hatten sich sogar die Augen hin und her bewegt.
    Allmählich waren diese durch Reize ausgelösten Reaktionen immer seltener geworden, bis man sie schließlich überhaupt nicht mehr beobachten konnte, was auf einen zunehmenden Funktionsverlust im unteren Stammhirn hinwies.
    Am gestrigen Morgen schließlich hatte Dunnys Herz zu schlagen aufgehört. Durch den Einsatz des Defibrillators und durch Adrenalin-Injektionen war es wieder in Gang gekommen, aber nur kurzzeitig.
    »Die automatische Funktion des Kreislaufs wird vom Stammhirn aufrechterhalten«, sagte der Arzt. »Offensichtlich hat das Herz zu schlagen aufgehört, weil dieser Gehirnteil versagt hat. Und ist das Stammhirn einmal irreparabel geschädigt, dann gibt es kein Zurück mehr. Dann ist der Tod unausweichlich.«
    In solchen Fällen werde der Patient nicht an eine HerzLungen-Maschine angeschlossen, um Kreislauf und Atmung künstlich aufrechtzuerhalten, es sei denn, dessen Angehörige bestanden darauf. In diesem Fall müssten die Angehörigen die Behandlung dann aber aus der eigenen Tasche bezahlen, weil keine Krankenversicherung für die Kosten aufkomme – aufgrund der Tatsache, dass der Patient eben nie das Bewusstsein wiedererlangen könne.
    »Und was Mr. Whistler angeht«, sagte Dr. O’Brien, »waren Sie bevollmächtigt, über seine ärztliche Behandlung zu entscheiden.«
    »Richtig.«
    »Und Sie haben vor einiger Zeit ein Schriftstück unterzeichnet, in dem es heißt, mit Ausnahme des Einsatzes eines Beatmungsgeräts sollten keine lebenserhaltenden Maßnahmen ergriffen werden.«
    »Genau«, sagte Ethan, »und ich habe auch nicht die Absicht, Sie zu verklagen.«
    Diese ernsthafte Beteuerung verschaffte dem Arzt allerdings keine sichtbare Erleichterung. Offenbar glaubte er, auf jeden Fall von einer Anwaltsmeute überfallen zu werden, auch wenn er sich noch so gewissenhaft um Dunny gekümmert hatte und rechtlich gesehen aus dem Schneider war.
    »Dr. O’Brien, was mit Dunny geschehen ist, nachdem seine Leiche im Gartenzimmer angekommen war, hat nichts mit Ihnen zu tun. Das ist eine völlig andere Geschichte.«
    »Aber ich bin deshalb nicht weniger beunruhigt, als Sie es sind. Ich habe schon zweimal mit der Polizei darüber gesprochen, und ich bin immer noch … fassungslos.«
    »Glauben Sie mir, ich mache auch die Angestellten unten im Keller nicht für Dunnys Verschwinden verantwortlich.«
    »Es sind gute Leute«, sagte der Arzt.
    »Da habe ich keine Zweifel. Was immer da vor sich gegangen ist, es war nicht der Fehler des Personals hier. Die Erklärung ist sozusagen … außergewöhnlich.«
    Auf Dr. O’Briens Gesicht trat

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