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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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gehen, läutete es an der Tür. Herein kam eine alte schwarze Frau mit weißem Haar und den elegantesten Händen, die Hazard je gesehen hatte. Sie waren so schlank, langfingrig und biegsam wie die eines jungen Mädchens. Es handelte sich um die Klavierlehrerin, die gekommen war, um der zehnjährigen Tochter der Daltons Unterricht zu geben.
    Angelockt von der musikalischen Stimme ihrer Lehrerin, kam das Mädchen – Emily – noch rechtzeitig herunter, um Hazard vorgestellt zu werden, bevor er endgültig ging. Emily war genauso hübsch wie ihre Mutter, hatte jedoch noch nicht so viel Stahl im Rückgrat wie diese. Mit zitternder Unterlippe und trübem Blick sagte sie: »Sie werden meinen Vater finden, ja?«
    »Wir tun unser Bestes«, versicherte Hazard ihr im Namen seiner Kollegen und hoffte, dass seine Worte sich nicht als bloßes Sprücheklopfen erweisen würden.
    Nachdem er die Schwelle überschritten hatte und auf die Veranda getreten war, drehte er sich noch einmal zu Rachel Dalton um, die in der Tür stand. »Der nächste Name auf meiner Liste ist ein Kollege Ihres Mannes aus dem Institut. Vielleicht kennen Sie ihn ja: Vladimir Laputa.«
    Der nun in Rachel Dalton aufsteigende Zorn schmälerte ihre Schönheit genauso wenig, wie es Traurigkeit hatte tun können. »Von all diesen Hyänen ist er der Schlimmste. Max hat ihn … er verachtet ihn. Vor sechs Wochen hat Mr. Laputa mich aufgesucht, um mir sein Mitgefühl auszudrücken, weil man noch nichts von Max gehört hätte. Ich könnte schwören … die Ratte wollte bloß auskundschaften, ob ich mich in meinem Bettchen inzwischen einsam fühle.«
    »Du lieber Himmel«, sagte Hazard.
    »Skrupellosigkeit, Detective Yancy, ist für den durchschnittlichen Universitätsdozenten genauso typisch wie für das durchschnittliche Mitglied einer Straßengang. Sie drückt sich nur anders aus. Die Zeit, in der vornehme Forscher in ihrem Elfenbeinturm saßen und sich nur für Wissenschaft und Wahrheit interessierten, ist schon lange vorüber.«
    »Seit neuestem dämmert mir das auch langsam«, sagte Hazard, ohne Rachel Dalton zu gestehen, dass ihr Gatte mangels eines geeigneteren Kandidaten zum Hauptverdächtigen im Fall Channing Manheim aufgestiegen war.
    Einerseits fand er es zwar äußerst unwahrscheinlich, dass eine Frau wie Rachel und ein Mädchen wie Emily einen Mann lieben konnten, der nicht genauso war, wie er zu sein schien.
    Andererseits konnte Maxwell Daltons Verschwinden auch darauf hinweisen, dass er tatsächlich ein neues Leben begonnen hatte. Vielleicht bestand es ja in Wirklichkeit aus der irren Beschäftigung, Prominente zu bedrohen, um ihnen zu schaden oder sie zu erpressen.
    Glöckchen aus Träumen und Männer in Spiegeln einmal ausgenommen, waren Hazard während seiner Laufbahn schon seltsamere Dinge untergekommen als ein vormals ehrlicher, vernünftiger Professor, den Neid und Habgier zu einem Spitzbuben gemacht hatten.
    Die Daltons wohnten in einem guten Viertel, aber Laputa wohnte in einem noch besseren, kaum eine Viertelstunde von ihrem Haus entfernt.
    Im Gefolge des Unwetters hatte sich die frühe Winterdämmerung angeschlichen, während Hazard bei Rachel Dalton Kaffee getrunken hatte. Auf der Fahrt zu Professor Laputas Haus verschluckte die zunehmende Dunkelheit alles Licht, bis die tief hängenden Wolken nicht mehr grau waren, sondern in dem trüben Gelb schimmerten, das von den Lichtern der Stadt aufstieg.
    Hazard stellte den Wagen gegenüber dem Haus der angeblich schlimmsten aller akademischen Hyänen ab und schaltete Scheinwerfer und Scheibenwischer aus, ließ den Motor jedoch laufen, damit die Heizung funktionierte. Schneemänner würden die Kinder am morgigen Tag zwar nicht gerade bauen können, aber nach hiesigen Maßstäben war die Luft mit Anbruch der Nacht recht winterlich geworden.
    Telefonisch war der Professor nicht erreichbar gewesen. Obwohl das Haus völlig abgedunkelt vor ihm lag, versuchte Hazard es nun trotzdem noch einmal.
    Während er das Telefon läuten ließ, bemerkte er an der nächsten Straßenecke einen Fußgänger. Der Mann ging auf Laputas Haus zu.
    Irgendetwas stimmte an dem Burschen nicht. Er hatte weder einen Schirm bei sich, noch trug er einen Regenmantel. Der Wolkenbruch hatte sich inzwischen zwar zu einem steten, geschäftsmäßigen Landregen abgeschwächt, aber es war trotzdem kein Wetter, in dem man gern spazieren ging. Das war nämlich ebenfalls seltsam: Der Mann hatte es nicht eilig.
    Was Hazard Yancys

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