Der Wächter
Verdachtsmaschine jedoch am meisten ankurbelte, war die arrogante Pose. Der Bursche war so gesättigt mit Überheblichkeit wie ein Schwamm. Vielleicht konnte ihm deshalb kein Regentropfen etwas anhaben.
Großspurig stolzierte er unter den Straßenlaternen einher, nicht wie ein wirklich harter Typ, sondern wie ein Filmstar, der glaubte, perfekt einen harten Typen zu verkörpern. Die grauen Hosen, der schwarze Rollkragenpullover und der schwarze Ledermantel waren klatschnass, aber dennoch schien er dem Regen Trotz zu bieten.
Theatralisch. In diesem Wetter waren keine weiteren Fußgänger in Sicht, und augenblicklich fuhr auch kein Wagen die ruhige Wohnstraße entlang, aber der Kerl schien sich auch ohne Publikum damit zu amüsieren, eine Schau abzuziehen.
Laputas Telefon hatte genug geläutet. Hazard drückte den roten Knopf auf seiner Tastatur.
Ohne es aus der Entfernung mit Bestimmtheit sagen zu können, hatte Hazard den Eindruck, dass der Fußgänger Selbstgespräche führte.
Als er sein Fenster herunterkurbelte und den Kopf zur Seite neigte, um zu lauschen, kam ihm das Trommeln des Regens in die Quere. Aus den Bruchstücken, die er aufschnappte, schloss er, dass der Bursche sang, konnte jedoch weder Melodie noch Text erkennen.
Zu Hazards Überraschung verließ der Selbstdarsteller den Gehsteig und bog in die Einfahrt zu Laputas Haus ein. Offenbar hatte er eine Fernbedienung in der Tasche, das Garagentor rollte nämlich auf einmal hoch, um sich dann, sobald er im Innern war, sofort wieder zu schließen.
Hazard kurbelte das Fenster wieder hoch und beobachtete das Haus.
Nach zwei Minuten ging an der Seite des Hauses, möglicherweise in der Küche, eine einzelne, schwache Lampe an. Etwa eine halbe Minute später wurde es auch hinter einem der Fenster im oberen Stock hell.
Ob es sich bei dem Regenliebhaber nun um Vladimir Laputa handelte oder nicht, er kannte sich im Haus des Professors zweifelsohne bestens aus.
71
Ethan stand in der Rotunde neben dem Haupteingang am Fenster und beobachtete, wie Monsieur Hachet tes Wagen in der durchlöcherten Dunkelheit im prasselnden Regen verschwand. Mit dem Oberkoch war nun auch das letzte Mitglied des Personals nach Hause gefahren.
In der Ecke war diskret ein Bildschirm in die Wand eingelassen. Als Ethan ihn leicht mit dem Finger berührte, leuchtete er auf.
Mittels Touchscreen konnte man von hier aus alle an den Computer angeschlossenen Systeme des Hauses überwachen: Heizung und Klimaanlage, die Musikanlage, die Gasheizung für Schwimmbecken, Sauna und Whirlpool, die Beleuchtung in Haus und Garten, die Telefonanlage und vieles mehr.
Solche Bildschirme waren an strategischen Stellen im ganzen Haus angebracht. Außerdem konnten die Anlagen von jedem Computer gesteuert werden, beispielsweise auch dem in Ethans Arbeitszimmer.
Nachdem Ethan den Monitor aktiviert hatte, waren drei Reihen von Icons erschienen. Er tippte das Symbol für die externen Überwachungskameras an.
Weil insgesamt sechsundachtzig Außenkameras auf dem Anwesen verteilt waren, erschienen als Nächstes sechsundachtzig Zahlen. Um schnell einen bestimmten Teil des Geländes im Blick zu haben, musste man sich diese Zahlen einprägen, zumindest jene, die man – je nach der Position, die man innehatte – wahrscheinlich am häufigsten brauchte.
Als Ethan auf die Ziffern 03 tippte, zeigte der Bildschirm sofort einen Blick auf das Gartentor, wie man ihn von außerhalb der Mauer hatte. Es war die Kamera, von der Rolf Reynerd dabei erwischt worden war, wie er das Päckchen mit dem Puppenauge im Apfel ausgeliefert hatte.
Das Tor öffnete sich. Monsieur Hachettes Wagen fuhr auf die öffentliche Straße, bog nach rechts ab und verschwand aus dem Blickfeld.
Noch während das Tor sich wieder schloss, berührte Ethan den Bildschirm, um das Kameramenü zu verlassen. Dann tippte er das Icon für die Alarmanlage der Villa an.
Bei weitem nicht alle Mitglieder des Personals waren berechtigt, die Anlage an- und abzustellen, weshalb das System nach Ethans Passwort fragte. Er gab es ein, erhielt Zugang und aktivierte das Alarmsystem.
Alle öffentlichen Bereiche der Villa – also praktisch alles außer den Schlafzimmern, Bädern, WCs und den Personalwohnungen – waren mit Bewegungsmeldern ausgestattet, die es sofort registrierten, wenn jemand durch einen Flur oder ein Zimmer ging. Sie waren zwar ständig in Betrieb, mit der Alarmanlage jedoch nur verbunden, wenn das Haus völlig verlassen war, was nur selten
Weitere Kostenlose Bücher