Der Wächter
Schlimmeres.« Er stand auf. »Also, ich hatte zwei Gründe, dich zu suchen. Zuerst mal wollte ich dir sagen, dass du heute Abend keine Tür nach draußen mehr aufmachen sollst. Sobald ich sicher davon ausgehen kann, dass niemand vom Personal mehr im Haus ist, werde ich die Alarmanlage einschalten.«
Fric richtete sich wieder auf. Wäre er ein Hund gewesen, dann hätte er jetzt die Ohren aufgestellt, so alarmiert schien er von den möglichen Ursachen für diesen Bruch mit der Routine zu sein.
War Frics Vater zu Hause, dann wurde die Alarmanlage nur angeschaltet, wenn er das selbst anordnete. In seiner Abwesenheit aktivierte Ethan das System erst, wenn er schlafen ging, was normalerweise ungefähr zwischen zehn Uhr und Mitternacht geschah.
»Warum so früh?«, wollte Fric wissen.
»Ich möchte die Anlage heute Abend im Computer beobachten. Es sieht so aus, als ob es an ein paar Fenstern und Türkontakten Schwankungen beim Stromfluss gibt. Mit falschem Alarm ist zwar noch nicht zu rechnen, aber da muss bald was repariert werden.«
Obwohl Ethan ein deutlich besserer Lügner als Fric war, schaute der Junge so zweifelnd drein, als hätte Ethan ihm etwas aufgetischt, was einem Kalbsschnitzel von Monsieur Hachette gleichkam.
»Aber ich bin auch hier, um dich zu fragen, ob wir heute vielleicht mal zusammen essen sollten«, fuhr Ethan rasch fort. »Schließlich sind wir zwei Junggesellen heute Nacht allein im Haus.«
Die Richtlinien und praktischen Hinweise enthielten kein Verbot dahingehend, dass ein ranghohes Mitglied des Personals mit dem Jungen speiste, wenn dessen Eltern nicht anwesend waren. Meistens nahm Fric sein Abendessen allerdings allein ein, vielleicht weil er beim Essen gern ungestört war, wahrscheinlich aber deswegen, weil er meinte, aufdringlich zu sein, wenn er um Gesellschaft bat. Von Zeit zu Zeit überredete Mrs. McBee ihn, mit ihr und ihrem Mann zu Abend zu essen; für Ethan und Fric war es jedoch eine Premiere.
»Ehrlich?«, sagte Fric. »Müssen Sie denn nicht dauernd anwesend sein, wenn diese Schwankungen gemessen werden?«
Ethan, dem der spöttische Unterton dieser Frage nicht entging, wäre fast in Lachen ausgebrochen, tat aber so, als glaubte er, dass Fric die Sache mit der Alarmanlage geschluckt hatte. »Nicht unbedingt. Außerdem hat Monsieur Hachette alles schon vorbereitet; ich muss die Sachen nur nach seinen Anweisungen im Ofen aufwärmen. Wann möchtest du denn essen?«
»Lieber früher«, sagte Fric. »So um halb sieben?«
»Abgemacht. Und wo soll ich den Tisch decken?«
Fric zuckte die Achseln. »Wo wollen Sie denn essen?«
»Wenn ich entscheiden soll, muss ich den Aufenthaltsraum wählen«, sagte Ethan. »Die anderen Esszimmer sind strikt der Familie vorbehalten.«
»Dann suche ich es aus«, sagte der Junge und kaute einen Augenblick lang auf der Unterlippe. »Ich rufe Sie deswegen noch mal an.«
»Na schön. Ich bin jetzt erst für eine Weile in meiner Wohnung und dann in der Küche.«
»Wie wär’s, wenn wir uns heute Abend eine Flasche Wein genehmigen?«, sagte Fric. »Einen guten Merlot zum Beispiel.«
»Ach ja? Soll ich auch gleich schon mal meine Koffer packen, ein Taxi bestellen, mir im Namen deines Vaters selbst die Kündigung schreiben und die Fliege machen, sobald du betrunken am Boden liegst?«
»Er braucht es ja nicht zu erfahren«, sagte Fric. »Und wenn er das doch tut, meint er bestimmt bloß, so was wäre ganz normal für Kinder von Hollywoodstars. Lieber Alkohol als Kokain. Natürlich müsste ich mit Dr. Rudy sprechen, um herauszukriegen, ob mein Problem vielleicht aus der Zeit stammt, als ich im alten Rom noch der Sohn vom Kaiser war. Könnte ja sein, dass es mir einen Riesenschock versetzt hat, im Kolosseum sehen zu müssen, wie die blöden Löwen irgendwelche blöden Leute aufgefressen haben.«
Die frechen Sprüche wären Ethan lustiger vorgekommen, wenn er nicht hätte vermuten müssen, dass Manheim mit einem etwaigen Alkoholgenuss seines Sohnes tatsächlich so ähnlich umgehen würde.
»Schon möglich, dass dein Vater es nie erfahren würde«, sagte er. »Aber du hast die vergessen, die nicht getäuscht werden kann.«
»McBee«, flüsterte Fric.
Ethan nickte. »McBee.«
»Ich nehme ein Pepsi«, sagte Fric.
»Mit oder ohne Eis?«
»Ohne.«
»Braver Junge.«
70
Obwohl sie Angst hatte, voller Bitterkeit war und gegen die Verzweiflung ankämpfte, war Rachel Dalton eine anziehende Frau geblieben. Sie hatte glänzendes kastanienbraunes Haar und
Weitere Kostenlose Bücher