Der Wächter
landen, wird’s uns dort wenigstens nicht langweilig«, stieß er schließlich hervor.
Nachdem Hazard aufgelegt hatte, blieb er noch eine Weile sitzen, beobachtete das Haus von Vladimir Laputa und überlegte, wie er vorgehen sollte. Zimperlich durfte er nicht sein, aber leichtsinnig handeln wollte er auch nicht.
Ins Haus zu kommen war zwar nicht legal, würde aber kein großes Problem darstellen. Schließlich hatte er noch den Schlossöffner dabei, mit dem Ethan und er auch in Reynerds Apartment eingedrungen waren.
Das Haus zu durchsuchen, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, um sich dann wie ein Gespenst in Luft aufzulösen, das kurz erschien und anschließend wieder in der Geisterwelt verschwand – das war die Schwierigkeit an dem ganzen Unternehmen.
In seiner Laufbahn hatte er sich im Großen und Ganzen immer an die Vorschriften gehalten, egal, wie unlogisch die gelegentlich waren. Weshalb er sich jetzt quasi davon überzeugen musste, dass ein illegales Vorgehen absolut unabdingbar war.
Hazard griff in die Jackentasche, zog die drei Silberglöckchen heraus und drehte sie in der Hand.
Um zehn nach acht stieg er aus seinem Wagen.
79
Nach einem kurzen Zwischenstopp in der Küche ging Ethan in seine Wohnung zurück, um schnell die sechs Gegenstände wegzuräumen, die in den schwarzen Schachteln gekommen waren. Hätte Fric sie gesehen, dann hätte er unweigerlich Fragen gestellt, die nicht beantwortet werden konnten, ohne dass er sich hinterher unnötige Sorgen um die Sicherheit seines Vaters machte.
Aus dem Arbeitszimmer drang der Lichtschein des Monitors. Ethan hatte den Computer nicht eingeschaltet, seit er nach Hause gekommen war.
Sofort durchsuchte er die Wohnung, fand jedoch nirgends einen Eindringling. Dennoch musste jemand da gewesen sein, und sei es jemand, der durch Spiegel kam und ging.
Als Ethan zum Tisch trat, um einen genaueren Blick auf den Bildschirm zu werfen, sah er dort eine Botschaft, die für ihn hinterlassen worden war:
HAST DU SCHON DEINE NETZWERKMAIL ANGESCHAUT?
Netzwerkmail – kurz Netmail – war E-Mail, die über das interne Computernetz ausgetauscht wurde. Angeschlossen waren die Rechner in der Villa Rospo, die in Channing Manheims Büro auf dem Studiogelände und die Laptops des Teams, das den Filmstar bei Dreharbeiten überwachte wie beispielsweise momentan in Florida. Solche Nachrichten kamen in ein anderes Postfach als die E-Mail aller anderen Briefschreiber.
Im Netmail-Postfach fand Ethan drei Nachrichten vor.
Die erste stammte von Archie Devonshire, einem der Hausmeister.
MR. TRUMAN, WIE SIE WISSEN, GEHÖRE ICH NICHT ZU DEN LEUTEN, DIE ES FÜR IHRE AUFGABE HALTEN, AELFRIC HINTERHERZUSPIONIEREN UND ÜBER SEIN VERHALTEN ZU TRATSCHEN. ER IST OHNEHIN EIN UNGEMEIN GUT ERZOGENER JUNGE, DER MEISTENS FAST UNSICHTBAR IST. HEUTE NACHMITTAG HAT ER JEDOCH ALLERHAND SELTSAME DINGE GETAN, DIE ICH MIT MRS. MCBEE BESPROCHEN HÄTTE, WENN SIE IM HAUS GEWESEN WÄRE. IHR FREUND MR. WHISTLER HAT MICH DARAUF AUFMERKSAM GEMACHT, DASS AELFRIC …
Ethan las diese verblüffende Information, ohne sie zunächst richtig zu begreifen, und musste deshalb innehalten, um den Satz noch einmal zu lesen.
IHR FREUND MR. WHISTLER HAT MICH DARAUF AUFMERKSAM GEMACHT, DASS AELFRIC …
Offenbar hatte der Geist oder wandelnde Tote, was immer er war, es aufgegeben, sein geheimnisvolles Werk am Rande der Wahrnehmung zu vollbringen. Er war kühn durch die Flure der Villa geschritten und hatte mit dem Personal gesprochen.
… MICH DARAUF AUFMERKSAM GEMACHT, DASS AELFRIC AN ABGELEGENEN STELLEN DES HAUSES NOTLAMPEN AUSGESTECKT UND IN EINEM PICKNICKKORB GESAMMELT HAT. MRS. MCBEE WÄRE DAMIT SICHER NICHT EINVERSTANDEN, WEIL ES BEI EINEM NÄCHTLICHEN NOTFALL VORKOMMEN KÖNNTE, DASS EIN MITGLIED DES PERSONALS ODER DER FAMILIE AN DER FLUCHT AUS DEM HAUS GEHINDERT WIRD, WEIL GENAU DIE LAMPE FEHLT, DIE IHM DEN WEG LEUCHTET.
Oben in Santa Barbara spürte Mrs. McBee ganz sicher, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.
ALS ICH AELFRIC SPÄTER BEGEGNETE, SAGTE ER MIR, DER KORB ENTHALTE SELBST GEMACHTE SCHINKENSANDWICHES. ER WOLLE DAMIT IM ROSENZIMMER EIN PICKNICK VERANSTALTEN. SPÄTER FAND ICH DEN KORB IM GENANNTEN ZIMMER VOR, OHNE DASS ER IRGENDWELCHE BROTKRUMEN ODER EINWICKELPAPIERE ENTHALTEN HÄTTE. DIES ALLES KOMMT MIR SEHR SELTSAM VOR, DA AELFRIC IM ALLGEMEINEN EIN EHRLICHER JUNGE IST. MR. YORN HATTE EINE ÄHNLICH UNGEWÖHNLICHE BEGEGNUNG MIT FRIC UND WIRD IHNEN SELBST DARÜBER BERICHTEN. HOCHACHTUNGSVOLL, A.
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