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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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angezogen, lösten sie sich darin auf.
    Die Perfektion, mit der das ganze Haus blitzblank gefegt, gesaugt, geschrubbt, gescheuert und poliert worden war, grenzte an Besessenheit. Sämtliche Dekorationselemente – Lalique-Glas, Keramikdöschen, kleine Bronzefiguren – waren nicht etwa kunstreich aufgestellt worden, sondern mit einem starren Ordnungssinn, der an ein Schachspiel denken ließ. Jedes einzelne Buch in den Regalen war exakt einen Zentimeter von der Kante entfernt.
    Das Haus sah aus wie ein Bollwerk gegen die Unordnung der Welt jenseits seiner Mauern. Trotz aller Annehmlichkeiten, darunter eine Reihe komfortabler Möbel, trotz der Reinlichkeit und Ordnung wirkte es ungemütlich, statt die sprichwörtliche Wärme eines heimischen Herds auszustrahlen. Hazard spürte etwas, was überhaupt nichts mit seiner Anspannung hinsichtlich des illegalen Vorgehens zu tun hatte – eine Atmosphäre unruhiger Erwartung und eine nicht recht zu definierende Verzweiflung.
    Die einzige »Unordnung« fand sich auf dem Esszimmertisch: fünf Stapel mit Plänen und Blaupausen, zusammengerollt und mit Gummibändern fixiert. Eine langstielige Lupe. Ein linierter Schreibblock. Tintenroller, einer rot, einer schwarz. Diese Gegenstände lagen zwar säuberlich nebeneinander, waren aber nun einmal nicht weggeräumt worden.
    Nachdem Hazard sich hinreichend überzeugt hatte, dass ihn in den unteren Zimmern keine böse Überraschung erwartete, erklomm er die Treppe zum Obergeschoss. Falls jemand zu Hause gewesen wäre, hätte der sich inzwischen bestimmt geregt, weshalb Hazard nun ohne jede Heimlichkeit vorging und oben im Flur gleich das Licht anschaltete.
    Die erste Tür führte ins Schlafzimmer. Es war ebenfalls antiseptisch sauber und fast gespenstisch ordentlich.
    Wenn Laputa tatsächlich seine Mutter und Mina Reynerd ermordet und irgendwelche Erinnerungsstücke aufbewahrt hatte – nicht an die Frauen, sondern an die Gewalttat –, dann waren das wahrscheinlich nur Schmuckstücke, Armreife, Medaillons oder Ringe von ihnen. Das Beste, was Hazard sich erhoffen konnte, waren blutbefleckte Kleidungsstücke oder Haarsträhnen.
    In vielen Fällen kam es auch vor – vor allem bei einem Menschen von Laputas gesellschaftlichem Rang, der einem angesehenen Beruf nachging und ausreichend materielle Reichtümer angehäuft hatte –, dass nach einem Mord gar keine Erinnerungsstücke aufbewahrt wurden. Wenn solche Burschen nicht aus zwanghafter Raserei handelten, sondern aus Geldgier oder Eifersucht, hatten sie womöglich kein besonderes Bedürfnis, Souvenirs aufzubewahren, um mit deren Hilfe später in Erinnerungen schwelgen zu können.
    Hazard hatte jedoch so ein Gefühl, dass Laputa hier eine Ausnahme darstellte. Die ungewöhnliche Brutalität, mit der Justine Laputa und Mina Reynerd erschlagen worden waren, wies darauf hin, dass in diesem braven Bürger etwas Schlimmeres lauerte als eine Hyäne – ein Mr. Hyde, der sich an seine Gewalttaten mit Vergnügen, wenn nicht gar mit einem Glücksgefühl erinnerte.
    Der Inhalt des begehbaren Kleiderschranks war mit militärischer Präzision organisiert. Vor allem eine Reihe von Schachteln auf dem Brett über den hängenden Kleidungsstücken weckte Hazards Interesse. Bevor er sie einzeln herunterholte, prägte er sich ihre Position ein, um sie wieder genau so platzieren zu können, wie er sie vorgefunden hatte.
    Während er sich an die Arbeit machte, hielt er immer wieder lauschend inne. Außerdem sah er für seinen Geschmack zu oft auf die Armbanduhr.
    Irgendwie hatte er das Gefühl, hier nicht allein zu sein. Vielleicht lag das ja nur daran, dass an der Rückwand des Kleiderschranks ein hoher Spiegel befestigt war, der ständig Hazards Bewegungen reflektierte. Vielleicht auch nicht.

81
    In all dem Regen und Nebel erinnerte die Ruine des
    Hauses Corky an die letzte Szene in Daphne du Mauriers Roman Rebecca : Lodernd schlagen die Flammen des Landsitzes Manderley in die Nacht, der pechschwarze Himmel ist »mit Purpur durchschossen wie mit Blut«, Asche treibt im Wind.
    Diese Ruine hier in Bel Air hatte kein Feuer erfasst, und es wehte momentan kein Wind, schon gar nicht gemischt mit Asche, aber die Szenerie erregte Corky trotzdem. In den Trümmern sah er das Symbol jenes größeren Chaos, das in den kommenden Jahren hereinbrechen würde.
    Einst hatte es sich um eine noble Villa gehandelt, wo große Gesellschaften für die Reichen und Berühmten stattgefunden hatten. Das im Stil eines französischen

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