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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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leiser.
    Die unter dem Ballon hängende Gondel ähnelte einem Ruderboot, war an Bug und Heck jedoch abgerundet. Auf den beiden Sitzbänken hatten vier Personen Platz.
    Mit Blick nach vorn saß Trotter auf der Heckbank, direkt vor dem Antrieb, der Heliumzufuhr und den Instrumenten.
    Corky hatte ihm zuerst gegenübergesessen und in die Richtung geschaut, aus der sie gekommen waren. Dann hatte er sich ebenfalls nach vorn gedreht und beugte sich nun häufig zur einen oder anderen Seite, um im nebligen Dunkel Orientierungspunkte auszumachen.
    Nur wenige Meter unter ihnen glitten die Baumkronen vorüber. Da weder Mond noch Sterne schienen, warf das Luftschiff keinerlei Schatten. Sie fuhren so verstohlen und mit so minimalen Turbulenzen dahin, dass kein einziger der Vögel, die im Schutz der Zweige hockten, aufgeschreckt in die Höhe flatterte.
    Die Villen der reichen Gemeinde waren in einem Wald aus Eichen, Feigen und immergrünen Nadelhölzern, aus Eisenholzbäumen, Steineiben und Kalifornischen Pfeffer-bäumen erbaut. Genauer gesagt, war dieser Wald angepflanzt worden, um die Hügel, Täler und Canyons zu bekleiden, die einst nur mit semiariden Wiesen aus wildem Gras und ödem Gestrüpp bedeckt gewesen waren.
    Um so gut wie unsichtbar über das arglose Bel Air hinwegzuschweben, mussten sie eine möglichst geringe Höhe beibehalten. In diesen Hügeln waren die meisten Straßen kurvenreich und ziemlich eng, dazu flankiert von riesigen Bäumen, deren Kronen sich oft berührten. Vom fahrenden Auto aus bot sich daher nur ein eng umgrenzter Blick auf den Himmel. Solange der kleine Zeppelin möglichst selten eine Straße überquerte und sich die Bäume zunutze machte, die ihn vor den Blicken aller nicht unmittelbar unter ihm stehenden Beobachter schützten, gelangte er womöglich völlig unbemerkt bis zum Palazzo und zurück. In diesem Wetter gingen wahrscheinlich nur wenige Leute in ihrem Garten spazieren und schauten in den Himmel.
    Von der Schlossruine auf dem Hügel zum tiefer gelegenen Palazzo Rospo waren es etwa achthundert Meter Luftlinie. Bei Windstille, wie sie gerade herrschte, konnte das Luftschiff mithilfe seiner Batterien eine Höchstgeschwindigkeit von fünfundzwanzig Stundenkilometern erreichen. Um den Nebel so wenig wie möglich zu stören und sich in seine willkommenen Schleier zu hüllen, beschränkten sie sich jedoch auf fünfzehn Kilometer, was eine Reisezeit von ungefähr drei Minuten bedeutete.
    Im Internet hatte Corky nicht nur topografische Karten und Pläne des Bauamts gefunden, sondern auch einen wahren Schatz an Luftaufnahmen, die im Auftrag des kalifornischen Staats angefertigt worden waren. Auf ihnen sah man die exklusiven, von Mauern umgebenen Grundstücke aus der Vogelperspektive. Die Mehrzahl der Häuser in Bel Air waren kleine Schlösser, besonders in der Gegend, über die das Luftschiff gerade flog; und Corky hatte sich die Dächer und die hervorstechenden Merkmale der luxuriösen Bauten entlang der Route gut eingeprägt.
    Auch Trotter hatte seine Hausaufgaben gemacht. Allerdings hielt er weniger oft nach Orientierungspunkten Ausschau als Corky. Er verließ sich mehr auf seinen Kompass.
    Der einzige Lichtschein, der von dem Luftschiff ausging, war das sanfte Glühen von Kompass, Höhenmesser und den paar anderen Anzeigen auf der Schalttafel. Die Instrumente waren drehbar auf einem Pfosten montiert, damit Trotter sie in die Position schwenken konnte, die er brauchte. Ihr Leuchten war so schwach, dass es keinerlei Widerschein auf der Rundung des Heliumballons darüber hinterließ.
    Von den großen Villen, über die sie dahinglitten, stieg weit mehr Licht auf als von den Instrumenten. Goldene und silberne Reflexe wanderten über den Bauch des Ballons, der dadurch wie mit schimmernden Flechten überzogen aussah.
    Sie segelten so knapp über den nassen Dächern an den Schornsteinen entlang, dass sie manche fast berührten. Trotz Nacht und Nebel konnte Corky die einzelnen Dachziegel und Schindeln erkennen.
    Vielleicht stand ja irgendwo am Fenster eines Zimmers ein Kind, das Weihnachten kaum mehr erwarten konnte, und schaute sehnsüchtig gen Himmel. Wenn es Trotters Traumschiff durch den Regen segeln sah, würde es wahrscheinlich denken, dass der Weihnachtsmann zwei Nächte zu früh gekommen war und dazu noch mit einem äußerst ungewöhnlichen Gefährt.
    Und da war es endlich, nach so viel mühevoller Planung: das Anwesen von Channing Manheim.
    Unentdeckt überquerten sie in etwa zwölf Metern Höhe

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