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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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die überwachte Gartenmauer.
    Sie flogen über Bewegungsmelder hinweg, die alle nur auf Eindringlinge in Bodennähe ausgerichtet waren.
    Sie glitten über Dutzende von Videokameras dahin, von denen keine einzige in den Himmel gerichtet war.
    Corky wollte nicht an der Villa abgesetzt werden. Er hatte vor, sich von der Gondel auf das Dach des Gärtnerhauses im hinteren Teil des Grundstücks hinunterzulassen.
    Bisher hatte Trotter nicht viel zu tun gehabt, weil der Reiseweg genau geradlinig gewesen war. Nun musste er das Luftschiff zum Zielgebäude steuern, es genau über einem bestimmten Teil des Dachs positionieren und dafür sorgen, dass es eine Zeit lang so wenig wie möglich abdriftete.
    Alle vier Flossen am Schwanz des kleinen Zeppelins waren mit Rudern ausgestattet. Sie wurden durch Hebel in der Mitte der Gondel bewegt, mit denen sie über Schwachstromkabel verbunden waren.
    Die Höhe reduzieren konnte Trotter, indem er Helium abließ. Musste er Höhe gewinnen, so konnte er zusätzliches Helium in den Gassack einspeisen oder, falls es eilte, Wasser aus den Ballasttanks ablassen, die sich zu beiden Seiten der Gondel befanden.
    Elegant, fast majestätisch, korrigierte das Luftschiff seinen Kurs, steuerte das Gärtnerhaus an und erreichte es so lautlos, wie die Sterne sich bei Morgengrauen im Himmel auflösten. Mit der Anmut einer Reihe perfekt ausgeführter Ballettschritte und dem für den Bau eines Kartenhauses erforderlichen Feingefühl ließ Jack Trotter sein Fahrzeug tiefer sinken und brachte es in die erforderliche Position.
    Laut der Armbanduhr, die anspruchsvolle Anarchisten schätzten – einer zuverlässigen Rolex –, hatte die Fahrt exakt drei Minuten und zwanzig Sekunden gedauert.
    20.33 Uhr. Vor drei Minuten waren sämtliche Telefonverbindungen zur Villa Rospo – via Festnetz und Mobilfunk – unterbrochen worden.

86
    An einem Mittwoch … wurde Fric geboren .« Ethan saß in dem weißen Zimmer hinter der blauen Tür und lauschte hingerissen der Stimme seiner toten Frau.
    » An einem Mittwoch … wurde Fric geboren .«
    Die Worte klangen wie köstliche Musik, rein und erregend. Ein viel geliebtes Kirchenlied, das ans Herz eines gläubigen Menschen rührte, löste wohl kaum einen Bruchteil der Emotionen aus, die Ethan bei dieser Stimme überkamen.
    »Hannah?«, flüsterte er, obwohl die Aufzeichnung nichts erwidern konnte. »Hannah?«
    Die Tränen, die seinen Blick verschwimmen ließen, waren hauptsächlich Freudentränen. Sie strömten ihm nicht aus den Augen, weil er Hannah in den vergangenen fünf Jahren so sehr vermisst hatte, sondern weil diese seltsame Botschaft in ihrer Stimme bedeutete, dass irgendwo ein Teil von ihr überlebt hatte. Der verhasste Krebs hatte zwar eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg. Auch wenn der Verlust, den Ethan erlitten hatte, ihm nicht weniger vernichtend als bisher vorkam, so wusste er nun doch, dass es kein ewiger Verlust war.
    Hannah hatte dieselben sechs Wörter zweimal wiederholt. Ethan musste den sechsundfünfzigsten Anruf dreimal abspielen, bevor er den wundersamen Klang der Stimme sanft beiseite schieben konnte, um sich dem Inhalt der Botschaft zuzuwenden.
    » An einem Mittwoch … wurde Fric geboren .«
    Offenbar hielt Hannah diese Information für ungemein wichtig, nur kam Ethan nicht darauf, welche Bedeutung der Wochentag von Frics Geburt für die momentane Situation haben mochte.
    Er rief die Liste auf und klickte Anruf Nummer 55 an. Wie zuvor ließ er sich nicht das Transkript ausdrucken, sondern die Worte vorspielen.
    Wieder Hannah. Diesmal sprach sie nur ein einziges Wort, zwanzig- oder dreißigmal. Seinen Namen. » Ethan … Ethan … Ethan … «
    Die qualvolle Sehnsucht in ihrer Stimme war so stark wie die in Ethans Herz. Während er ihr lauschte, gelang es ihm kaum, den Rest an Fassung zu bewahren, den er nicht schon verloren hatte.
    Durchs Telefon, durch den Aufzuglautsprecher und vielleicht auch auf andere Weise hatte Hannah also versucht, ihn zu erreichen, ohne sich verständlich machen zu können. Nun war sie ironischerweise ausgerechnet hinter dieser nudelblauen Tür, in diesem lächerlichen weißen Zimmer und mithilfe dieser ganzen Elektronik zu ihm durchgedrungen.
    Gott musste tatsächlich auf recht wundersame Weise wirken, wenn er sich eines Vogels wie Ming du Lac bediente.
    Das Gefühl der Dringlichkeit, mit dem Ethan hierher gekommen war, hatte vorübergehend nachgelassen, überkam ihn nun jedoch wieder.
    Weiter zu Anruf Nummer 54.

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