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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Bildschirm, dessen Blau minimal anders war als das der Tür, war das einzig Farbige im ganzen Raum. Die Icons darauf waren weiß.
    Diesen Computer hatte Ethan noch nie benutzt. Er wusste allerdings, dass die Software, mit der die hereinkommenden Anrufe verwaltet wurden, identisch mit dem Telefonprogramm des ganzen Hauses war.
    Glücklicherweise waren die Buchstaben, Ziffern und Symbole auf der Tastatur nicht weiß übermalt worden und daher noch sichtbar. Selbst die grau abgesetzten Tasten befanden sich im ursprünglichen Zustand. Im Vergleich zu ihrer Umgebung war die Tastatur ein wahrer Farbenrausch.
    Als Erstes rief Ethan die Daten genau so auf, wie er am Computer in seinem Arbeitszimmer die Anschlüsse 1 bis 23 überprüft hätte. Er wollte wissen, wie viele Anrufe in den vergangenen achtundvierzig Stunden auf Anschluss 24 eingetroffen waren.
    Man hatte ihm gesagt, dass vom Anrufbeantworter pro Woche etwa fünf bis sechs Nachrichten aufgezeichnet wurden. In den meisten Fällen handelte es sich um Telefonverkäufer, die es auf gut Glück versuchten, oder um Leute, die sich verwählt hätten.
    Die Liste der am Montag und Dienstag empfangenen Anrufe erschien auf dem Bildschirm. In der obersten Zeile stand die Gesamtzahl: 56. Innerhalb von zwei Tagen war so viel aufgezeichnet worden wie sonst in zehn Wochen.
    Dass Anschluss 24 öfter angewählt wurde als sonst, war Ethan mehrfach aufgefallen, aber ihm war bislang nicht bewusst gewesen, dass durchschnittlich mehr als einmal pro Stunde ein Anruf hereingekommen war.
    Die Temperatur in dieser Kommunikationszone für Lebende und Tote wurde mit großem technischem Aufwand immer auf exakt zwanzig Grad Celsius gehalten, weil Ming diese Zahl in seinem Traum gesehen hatte. An diesem Abend fühlte die Luft sich kälter als zwanzig Grad an.
    Als Ethan die Liste durchlaufen ließ, sah er, dass bei keinem der sechsundfünfzig Einträge die Nummer des Anrufers angegeben war. Von Telefonmarketingfirmen konnten sie also nicht stammen, waren die doch inzwischen gesetzlich verpflichtet, ihre Nummer anzeigen zu lassen.
    Wenigstens teilweise mochte es sich um Anrufe von ganz normalen Leuten handeln, die die Rufnummernanzeige grundsätzlich abschalteten und sich verwählt hatten. Möglich. Aber Ethan hätte all sein Hab und Gut darauf gewettet, dass dem nicht so war. Diese Anrufe kamen von einem Ort, zu dem keine Telefongesellschaft der Welt eine Verbindung herstellen konnte.
    Am Ende der Liste klickte Ethan den neuesten Eintrag an, den Anruf, bei dem er noch unten in seinem Arbeitszimmer gewesen war und versucht hatte, sich den Sinn einer Sammlung aus Maikäfern, Schnecken und Vorhäuten zusammenzureimen.
    In der oberen rechten Ecke des Bildschirms erschien ein Fenster mit mehreren Wahlmöglichkeiten. Er konnte sich ein Transkript des Anrufs ausdrucken lassen, das Transkript auf dem Bildschirm lesen oder sich den Anruf anhören.
    Er klickte den letzten Menüpunkt an.
    Falls dieser Anruf so war wie der, dem Ethan am letzten Abend fast eine halbe Stunde lang gelauscht hatte, eine offene Leitung voller Rauschen und Knistern, aus dem sich sporadisch eine schwache, halb unwirkliche und überhaupt nicht verständliche Stimme erhob, dann würde man mit diesen Geräten etwas mehr verstehen. Ein digitaler Audio-Analyzer filterte atmosphärische Störungen heraus, identifizierte Tonmuster, bei denen es sich um Sprache handeln musste, reinigte und verstärkte die Worte und löschte eventuelle Lücken, um den Anruf zu kondensieren, bevor er aufgezeichnet wurde.
    Die Stimme auf dem sechsundfünfzigsten Anruf klang noch immer, als riefe sie aus weiter Ferne und über einen tiefen Abgrund hinweg. Sie war so schwach, dass Ethan sich vorbeugen musste, um sie nicht zu verlieren. Trotzdem konnte er durch die Verstärkung des Computers jedes Wort hören, das sie sagte, so rätselhaft die Botschaft auch war.
    Es war Hannahs Stimme.

85
    Mit dem inneren Ohr lauschte Corky den Melodien aus Wagners Walküre , vor allem dem Motiv, das den Ritt der Walküren darstellte.
    Durch Niesel und Nebel, durch den windstillen Himmel über Bel Air segelte das Miniaturluftschiff des irren Queeg so ruhig wie ein Traum, der fugenlos in den nächsten überging.
    Das Rauschen und Zischen des Regens verschleierte alle Geräusche der batteriebetriebenen Propeller, sodass es Corky vorkam, als reisten er und sein mürrischer Pilot in völliger Stille, ohne jedes Brausen und Ächzen. Weder Sonne noch Mond überquerten den Himmel

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