Der Wächter
einer entsprechenden Plakette mit Marke, Modell und Herstellungsjahr hingen. Offenbar kannte er sich so gut aus, als ob er im Palazzo Rospo wohnte.
Ebenfalls immer kleiner im Sichtfeld wurde der Inhalator mit dem lebensnotwendigen Asthmamedikament. Als Fric gemerkt hatte, dass das an den Gürtel geklemmte Gerät sich lockerte, hatte er danach greifen wollen, aber seine Glieder waren weich wie Pudding gewesen.
Moloch war wahnsinnig oder einfach nur bösartig, das war klar. Allerdings konnte Fric sich nicht vorstellen, was irgendeine ausländische Geheimpolizei gegen ihn haben mochte.
In seinen zehn Lebensjahren hatte er sich oft gefürchtet, eigentlich fast ständig. Die Angst, die ihm schon so lange vertraut war, war jedoch eher eine stille Spielart, eher ein Bohren als eine bedrohliche Kraft, eher das beharrliche Picken kleiner Vögel als der gierige Schnabel eines Pterodaktylus. Angst, dass die Perioden, in denen sein Vater nicht da war, immer länger wurden, bis er ihn wie seine Mutter monatelang nicht mehr sah. Eine nagende Sorge, er könnte für immer der Stubenhocker bleiben, der er jetzt war, er könnte nie herausbekommen, was er mit dem Leben und mit sich selbst anfangen sollte, er könnte alt werden und dennoch nie etwas anderes sein als der Sohn von Channing Manheim, dem »Gesicht«. Was er jedoch während jeder Sekunde der Reise vom Treibhaus zur Garage gespürt hatte und noch immer spürte, das war ein großes, dunkles Entsetzen, das im Käfig seines Herzens mit ledrigen Flügeln schlug, das durch die Hohlräume von Körper und Seele flog und Fleisch, Blut und Knochen beben ließ.
Für die Flucht hätte Moloch auch einen der älteren Oldtimer wählen können, die hunderttausende Dollar wert waren, stattdessen hatte er sich jedoch ein neueres Modell ausgesucht, eines, das Fric besonders liebte: den kirschroten Buick Super 8, Baujahr 1951, mit verchromten Kotflügeln und Flossen am Heck.
Er zerrte Fric auf den Beifahrersitz und schlug die Tür zu. Dann eilte er um die Kühlerhaube und setzte sich hinters Lenkrad. Der Motor sprang sofort an, weil jedes Fahrzeug der Sammlung nun einmal perfekt instand gehalten wurde.
Wenn man wirklich in der Patsche steckte, konnte man sich auf Schutzengel offenbar nicht verlassen. Außerdem war Fric der Mysteriöse Anrufer ohnehin nicht wie ein richtiger Engel vorgekommen. Er sah zu gruslig aus, benahm sich zu bedrohlich und hatte außerdem so kummervolle Augen.
Während Moloch den Wagen zurücksetzte, fragte sich Fric, was wohl mit Mr. Truman geschehen war. Der musste tot sein. Und als der Gedanke an den toten Mr. Truman sich in ihm ausbreitete, merkte Fric, dass der semiparalytische Inhalationsstoff ihn offenbar nicht davon abhielt zu weinen.
Noch während Ethan die Treppe zur Garage hinabstürmte, hörte er einen Motor aufheulen und roch gleich darauf Auspuffgase.
Zur Flucht bereit, stand der Buick wartend am Fuß der Rampe, vor der das Garagentor nach oben rollte.
Ein Mann hinter dem Lenkrad. Ein einzelner Mann. Keine Komplizen auf dem Rücksitz, keine Scharfschützen sonstwo in der Garage.
Ethan rannte auf die rechte Seite des Wagens zu. Hinter dem Beifahrerfenster lehnte Frics zerzauster Kopf an der Scheibe. Das Gesicht des Jungen sah Ethan nicht, aber der Kopf schien hin und her zupendeln. Offenbar war Fric bewusstlos.
Fast hatte Ethan den Buick erreicht, da gab das Tor den Weg endgültig frei. Im selben Augenblick schoss der Wagen auch schon so schnell auf die Rampe zu, dass man ihn zu Fuß nicht mehr einholen konnte.
Ethan sprang aus dem Lauf in eine breitbeinige Schussposition, sein Ziel direkt im Blick, das rechte Bein ein Stück zurück, das linke Knie gebeugt, die Waffe in beiden Händen. Bei den drei schnellen Schüssen, die er wagte, zielte er auf den hinteren rechten Reifen, um Fric nicht mit einem Querschläger zu treffen.
Die Heckschürze schirmte knapp die Hälfte des Rades ab, sodass Ethan nur ein sehr kleines Ziel hatte. Der erste Schuss schlug ins Blech ein, einer ging daneben, aber der dritte brachte den Reifen schließlich zum Platzen.
Der Wagen neigte sich zur Seite, fuhr jedoch weiter, immer noch zu schnell, um eingeholt zu werden. Das rhythmische Klatschen des losen Reifens begleitete seinen Weg die Rampe hinauf.
Obwohl das Quarzitpflaster selbst bei Nässe recht griffig war, drehten die Hinterreifen des Buick kurz durch, möglicherweise wegen der Schräglage. Schmutziges Wasser und blauer Rauch stiegen wirbelnd in die
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