Der Wächter
Kontrahenten näherten sich dem Boden schneller, als es die Schwerkraft erforderte, und da Ethan sich unten befand, schlug er mit dem Hinterkopf hart auf den Pflastersteinen auf.
Als die Beifahrertür beim Aufprall aufflog, rutschte Fric ohne sein Zutun vom Sitz und dann aus dem Buick heraus auf das nasse Pflaster. Dort blieb er flach auf dem Rücken liegen, in der schlimmstmöglichen Lage, wenn er keine Luft bekam.
Der ihm in die Augen rieselnde Regen ließ seinen Blick verschwimmen, aber das machte ihm weniger Sorgen als jener purpurrote Schimmer, der die Nacht färbte und die Regentropfen zu Rubinen werden ließ.
Seine Gedanken wurden so trübe wie sein Blick – zu wenig Sauerstoff im Gehirn –, aber er war im Kopf klar genug, um zu merken, dass die Wirkung des Zeugs aus der Sprühdose allmählich nachließ. Als er sich zu bewegen versuchte, gelang ihm das tatsächlich, wenn auch nicht mit Anmut und Beherrschung, sondern eher wie ein Fisch am Angelhaken, der am Ufer zappelte.
Immerhin war er jetzt besser in der Lage, seine Hals-, Brust- und Bauchmuskeln abwechselnd anzuspannen und zu lockern, um die verbrauchte, wie Sirup in der Lunge klebende Luft hinauszupressen. Besser, aber längst nicht ausreichend. Sein Keuchen war noch dünner als Papier, als feine Härchen, als ein Staubfilm.
Er musste sich aufsetzen. Was aber nicht ging.
Er brauchte seinen Inhalator. Aber der war weg.
Obwohl die Welt für ihn einen rötlichen Schimmer angenommen hatte, wusste er, dass er in den Augen der Welt blau aussehen musste, weil der jetzige Anfall einer der wirklich üblen war, übler als alles, was er bisher erlebt hatte, ein Fall für die Notaufnahme, für die Ärzte und Krankenschwestern mit ihrem Gefasel von Manheim-Filmen.
Kein Atem. Keine Luft. Fünfunddreißigtausend Dollar, um seine Zimmer neu zu möblieren, aber keine Luft.
Komische Gedanken drängten sich ihm in den Kopf. Nicht zum Lachen komisch, sondern gruslig komisch. Rote Gedanken. So dunkelrot an den Rändern, dass das Rot eigentlich schwarz war.
Statt literarische Texte zu dekonstruieren, war Corky jetzt in der Stimmung, alles zu dekonstruieren, was ihm in den Weg kam. Wölfische Wut heulte in seinem Schädel. Er musste einfach Augen ausdrücken, seine Zähne in das Gesicht da unten schlagen, es zerfetzen und zerbeißen.
Als er das Maul schon zum ersten Zuschnappen aufgesperrt hatte, merkte er, dass sein Gegner sich gar nicht richtig wehrte. Offenbar war er bewusstlos, weil er mit dem Kopf auf dem Pflaster aufgeschlagen war. Trotz seiner rasenden Wut dämmerte Corky zudem eine warnende Erkenntnis: Wenn er jetzt dem animalischen Drang erlag, diese Sache mit Zähnen und Klauen zu Ende zu bringen, würde etwas in ihm zerreißen, ein letztes zügelndes Band. Und wenn man ihn dann Stunden später fand, würde er noch immer über der zerfleischten Leiche seines Opfers knien und mit Schnauze und Hauern nach grausigen Leckerbissen wühlen wie ein Schwein nach Trüffeln.
Als Robin Goodfellow, der zwar nicht in Wirklichkeit zur tödlichen Waffe ausgebildet worden war, aber doch eine Menge Spionageromane gelesen hatte, wusste er, dass ein harter Schlag mit der Handkante dem Gegner das Nasenbein brach, die scharfen Splitter ins Gehirn trieb und ihn umgehend ins Jenseits beförderte. Deshalb tat er nun genau das und jauchzte vor Freude auf, als das Blut aus Trumans Visage spritzte.
Corky rollte von dem leblosen Sicherheitschef herunter, erhob sich, drehte sich nach dem Buick um und hielt Ausschau nach dem Jungen. Nichts, auch als er sich bückte und durch die Fahrertür ins Wageninnere schaute. Offenbar war Aelfric durch die aufgesprungene Beifahrertür entwichen.
Die Wirkung des Betäubungsmittels konnte noch nicht ganz verflogen sein. Bestimmt war der Rotzlöffel nicht weit gekommen.
Als Corky sich aufrichtete, sah er auf dem Wagendach direkt vor seiner Nase eine Pistole liegen.
Auf dem Rautenmuster des Griffs glänzte das Regenwasser wie eingelegte Brillanten.
Trumans Waffe.
Den Jungen finden. Ihm nur ins Bein schießen, damit er nicht flüchten konnte. Dann in die Garage zurücklaufen, um Schlüssel für einen anderen Fluchtwagen zu besorgen.
Corky konnte den Plan noch immer retten, war er doch so gewiss der Sohn des Chaos, wie Aelfric der Sohn des größten Filmstars der Welt war, und das Chaos würde sein Kind nicht so im Stich lassen, wie Channing Manheim das bei dem seinen getan hatte.
Er musste nur auf die andere Seite des Wagens gehen, um den
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