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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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noch einmal, offenkundig eher für sich selbst als für Ethan: »Er hat gesagt, Sie halten ihn für tot und dass Sie damit Recht hätten.«
    Ein Klappern von Scharnieren, ein leises Klingeln der Ladenglöckchen. Ethan drehte sich zum Eingang um. Niemand war hereingekommen.
    Der launisch umherstreifende Wind, der sich eine Weile aus dem Unwetter zurückgezogen hatte, war wiedergekehrt, polterte am Eingang des Ladens und ließ die Tür erzittern.
    »Was um Himmels willen kann er mit einer derart sonderbaren Bemerkung wohl gemeint haben?«, sagte die Frau hinter der Theke nachdenklich.
    »Haben Sie ihn nicht danach gefragt?«
    »Es waren seine letzten Worte, als er die Rosen schon bezahlt hatte und aus dem Laden ging. Ich hatte keine Gelegenheit mehr nachzufragen. Ist das ein alter Witz zwischen Ihnen beiden?«
    »Hat er gelächelt, als er es gesagt hat?« Rowena dachte nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein.«
    Aus den Augenwinkeln sah Ethan eine Gestalt, die lautlos hinter ihm aufgetaucht war. Als er sich mit stockendem Atem umwandte, erkannte er, dass ihn sein Spiegelbild in der Glastür einer Vitrine genarrt hatte.
    Auf stufenförmig angeordneten Gestellen standen Wasserkübel mit gekühlten Rosen, deren prachtvolle Blüten leicht vergessen ließen, dass sie in Wirklichkeit schon tot waren und in einigen Tagen verdorrt, mit braunen Flecken überzogen und faulig sein würden.
    Die Vitrinen, in denen der Tod sich in leuchtenden Blütenblättern verbarg, erinnerten Ethan an die Schubfächer im Leichenschauhaus, wo die Verstorbenen fast so aussahen, wie sie im Leben ausgesehen hatten. Auch dort hauste der Tod, ohne sich mit den auffälligen Anzeichen der Verwesung zu erkennen zu geben.
    Obwohl Rowena sympathisch und charmant war, obwohl das Reich der Rosen eine angenehme Atmosphäre um sich verbreitete, wurde Ethan ungeduldig. Er wollte weg. »Hat mein … mein Freund noch irgendeine andere Nachricht für mich hinterlassen?«, fragte er.
    »Nein. Das war alles, glaube ich.«
    »Danke, Rowena. Sie haben mir sehr geholfen.«
    »Ehrlich?«, sagte sie und sah ihn seltsam an. Möglicherweise war sie von dieser merkwürdigen Begegnung genauso verwirrt wie von ihrem Gespräch mit Dunny Whistler.
    »Ja«, sagte Ethan, »das haben Sie.«
    Gerade als Ethan die Hand auf den Knauf legte, rüttelte der Wind wieder an der Tür. Hinter ihm meldete sich Rowena noch einmal zu Wort: »Da wäre noch etwas.«
    Er wandte sich zu ihr um und sah trotz der Distanz, die nun zwischen ihnen lag, dass seine Fragen sie nachdenklich gemacht hatten.
    »Als Ihr Freund gegangen ist«, sagte sie, »ist er in der offenen Tür stehen geblieben, da auf der Schwelle, und hat zu mir gesagt: ›Gott segne Sie und Ihre Rosen.‹«
    Für einen Mann wie Dunny mochte es zwar seltsam sein, so etwas zu äußern, aber nichts an diesen sechs Wörtern schien zu erklären, weshalb sich Rowenas Miene bei der Erinnerung daran derart umwölkte.
    »Kaum hatte er den Satz beendet«, fuhr sie fort, »da hat das Licht geflackert. Es ist schwächer geworden, kurz ganz ausgegangen und dann wieder an. In dem Augenblick hab ich mir nichts dabei gedacht – da war ja das Unwetter –, aber jetzt kommt es mir irgendwie … bedeutsam vor. Weiß auch nicht, warum.«
    Seine jahrelange Erfahrung bei Verhören ließ Ethan ahnen, dass Rowena noch nicht alles herausgelassen hatte. Geduldiges Schweigen würde sie sicherer und rascher zum Weitersprechen bringen als alles, was er hätte sagen können.
    »Als das Licht schwächer geworden ist, um kurz darauf ganz auszugehen, hat Ihr Freund gelacht. Nur ein kleines Lachen, nicht lang, nicht laut. Er hat zur Decke geschaut und gelacht, und dann ist er hinausgegangen.«
    Ethan wartete.
    Rowena schien über sich selbst überrascht zu sein, dass sie so viel über einen so kurzen Augenblick gesagt hatte, doch dann fügte sie noch hinzu: »Dieses Lachen hatte etwas Schreckliches an sich.«
    Die wunderschönen toten Rosen hinter Glaswänden.
    Der Wind, der wie ein wildes Tier an der Tür schnüffelte.
    Regen nagte an den Fenstern.
    »Etwas Schreckliches?«, sagte Ethan.
    »Mir fehlen die Worte, um es zu erklären. In dem Lachen lag kein Humor, sondern irgendein schrecklicher … Klang.«
    Verlegen wischte sie mit der Hand über die makellos saubere Theke, als hätte sie Staub, Pflanzenreste, einen Fleck gesehen.
    Nun hatte sie eindeutig alles gesagt, was sie sagen wollte oder konnte.
    »Gott segne Sie und Ihre Rosen«, sagte Ethan, als wollte er

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