Der Wächter
einen Fluch bannen.
Er wusste nicht, was er getan hätte, wenn das Licht nun geflackert hätte, aber es brannte ruhig weiter.
Rowena lächelte unsicher.
Als Ethan sich wieder zur Tür umwandte, begegnete er abermals seinem Spiegelbild und schloss die Augen. Er wusste nicht recht, wieso er das tat; vielleicht, um sich davor zu bewahren, ein Phantom neben sich im Glas zu sehen. Erst als er die Tür geöffnet hatte, machte er die Augen wieder auf.
Begleitet von knurrendem Wind und dem Klingeln der Glöckchen über der Tür trat er aus dem Laden in die schneidende Kälte des Dezemberabends und zog dann die Tür hinter sich zu.
Er wartete in der Nische zwischen den beiden Schaufenstern, während ein junges Paar – beide trugen einen Regenmantel und hatten die Kapuze hochgezogen – auf dem Gehsteig vorbeiging, angeführt von einem Golden Retriever an der Leine.
Genüsslich spazierte der patschnasse Hund wie auf Schwimmfüßen durch Regen und Wind, die Schnauze gehoben, um die geheimnisvollen Düfte in der eisigen Luft zu schnuppern. Bevor er ganz vorbei war, sah er zu Ethan hoch. Die Augen wirkten so weise, wie sie dunkel glänzten.
Der Hund blieb stehen, stellte die Schlappohren auf, so weit sie sich aufstellen ließen, und legte den Kopf schräg, als wäre er sich nicht ganz sicher, was für ein Mann da im Schutz der korallenrosa Markise stand, zwischen den Rosen und dem Regen. Dann wedelte er mit dem Schwanz, aber lediglich zweimal und eher zaghaft.
»Guten Abend«, sagten die von ihrem hündischen Begleiter aufgehaltenen jungen Leute; Ethan erwiderte den Gruß, und die Frau sagte zum Hund: »Auf geht’s, Tink!«
Tink zögerte, blickte Ethan forschend in die Augen, und setzte sich erst in Bewegung, nachdem sein Frauchen den Befehl wiederholt hatte.
Weil Paar und Hund in Richtung seines Geländewagens gingen, wartete Ethan kurz, um ihnen nicht direkt auf den Fersen zu sein.
Die Blätter der Bäume am Straßenrand waren noch immer von warmem Laternenlicht übergossen. Von ihren Spitzen rieselten Tropfen, die wie geschmolzenes Gold schimmerten.
Der Verkehr auf der Straße kam Ethan schwächer vor als sonst zu dieser Zeit und schien sich schneller zu bewegen, als dem Wetter angemessen war.
Von einer Markise zur anderen arbeitete Ethan sich zu seinem Wagen vor und kramte dabei in der Jackentasche schon einmal nach den Schlüsseln.
Ein Stück weiter vorn hielt Tink zweimal im Trott inne und schaute zu Ethan zurück, blieb jedoch nie ganz stehen.
Selbst die mit Ozon geschwängerten Regenkaskaden schafften es nicht, den Hefeduft von frisch gebackenem Brot wegzuspülen, der aus einem der mondänen Restaurants drang. Bald war Abendessenszeit.
Am Ende der Ladenzeile blieb der Hund dann doch stehen, wandte den Kopf und starrte zu Ethan herüber.
Obwohl die Stimme der Frau durch die Entfernung, das Rauschen des Regens und das Zischen der vorbeifahrenden Wagen gedämpft wurde, hörte Ethan sie sagen: »Auf geht’s, Tink!« Diesmal musste sie den Befehl mehrfach wiederholen, bevor der Hund sich wieder in Bewegung setzte und so weit voranging, dass sich die Leine straffte.
Das Trio verschwand um die Ecke.
Als Ethan an der roten Zone nahe der Kreuzung angekommen war, wo er verkehrswidrig geparkt hatte, blieb er unter der dortigen Markise stehen. Er beobachtete den herannahenden Verkehr, bis er eine große Lücke zwischen den Fahrzeugen sah.
Er trat in den Regen, überquerte den Gehsteig und sprang über das schmutzig im Rinnstein dahinschießende Wasser.
Am Heck seines Geländewagens angelangt, drückte er auf den Knopf an seinem Schlüsselbund. Der Wagen zwitscherte ihm zu.
Nachdem er wieder gewartet hatte, bis er nicht in Gefahr war, von einem vorüberfahrenden Auto angespritzt zu werden, verließ er den Schutz des Hecks, solange die Chance bestand, seine Sachen nicht gleich bei der Reinigung abliefern zu müssen.
Kurz vor Erreichen der Fahrertür fiel ihm ein, dass er es versäumt hatte, den Wagen von der letzten Markise aus in Augenschein zu nehmen. Plötzlich war er davon überzeugt, dass er diesmal , wenn er sich hinters Steuer setzte, Dunny Whistler auf dem Beifahrersitz vorfinden würde, tot oder lebendig.
Die wahre Bedrohung lauerte jedoch anderswo.
Von der Straße gegenüber kam ein Chrysler P. T. Cruiser, der nicht rechtzeitig gebremst hatte, mit schlingerndem Heck in die Kreuzung geschlittert. Der Fahrer steuerte gegen, statt in die Bewegung hineinzulenken, worauf die Räder blockierten und der
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