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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Wagen sich um die eigene Achse zu drehen begann.
    Das linke Ende der vorderen Stoßstange holte Ethan unsanft von den Beinen. Mit voller Wucht wurde er auf seinen Wagen geschleudert, wo er mit Stirn und Nase das Seitenfenster zerschlug.
    Wie er anschließend zurückprallte und aufs Straßenpflaster stürzte, nahm er nicht wahr, doch dann wälzte er sich auf dem nassen Asphalt, roch Auspuffgase und schmeckte Blut.
    Er hörte Bremsen kreischen, aber nicht die des Personenwagens, der ihn erwischt hatte. Druckluftbremsen, laut und schrill.
    Der riesige Schatten eines Lastzugs näherte sich und war auch schon da. Ethan spürte ein ungeheures Gewicht auf den Beinen, einen grauenhaften Druck, hörte Knochen wie morsche Äste brechen.

24
    Die Leichen lagen den Wänden entlang in offenen Fächern, dreifach gestapelt wie Eisenbahnreisende im Liegewagen. Auf der Reise vom Tod zum Grab hatten sie hier einen außerplanmäßigen Stopp eingelegt.
    Nachdem Corky Laputa das Licht eingeschaltet hatte, zog er leise die Tür hinter sich zu.
    »Guten Abend, meine Damen und Herren«, sagte er zu den versammelten Leichen.
    Egal, wie die Umstände sein mochten, es gelang ihm immer, sich irgendwie zu amüsieren.
    »Die nächste Station auf dieser Strecke ist die Hölle, mit gemütlichen Nagelbetten und fließend heißem und kaltem Schwefel. Frühstücksbüfett aus gerösteten Kakerlaken inklusive.«
    Zu seiner Linken gab es acht Leichen und ein leeres Fach, rechts sieben Leichen und zwei leere Fächer. An der Rückwand des Raums waren fünf weitere Leichen und ein leeres Fach zu sehen. Alles in allem zwanzig Tote und Quartier für vier weitere.
    Die traumlosen Schläfer lagen nicht auf Matratzen, sondern in Schalen aus Edelstahl. Sämtliche Fächer waren offen, damit die Luft besser zirkulieren konnte.
    In der Kühlkammer herrschte ein trockenes Milieu, in dem es nie kälter als drei und nie wärmer als fünf Grad über dem Gefrierpunkt wurde. Corkys Atem trat aus den Nasenlöchern als doppelter Kondensstreifen aus bleichem Dampf aus.
    Ein hochmodernes Belüftungssystem saugte durch Schlitze über dem Boden unablässig Luft aus dem Raum. Durch Öffnungen knapp unterhalb der Decke wurde frische Luft hereingeblasen.
    Zu einem romantischen Dinner bei Kerzenlicht hätte der Geruch zwar nicht gerade gepasst, aber er wirkte auch nicht regelrecht abstoßend. Fast hätte man sich vorgaukeln können, dass er nicht wesentlich anders war als die nach altem Schweiß, Fußpilz und verschimmelten Duschen riechende Duftmischung, auf die man in vielen Umkleideräumen von Schulen stieß.
    Keiner der eingelagerten Toten steckte in einem Sack. Durch die niedrige Temperatur und die streng kontrollierte Feuchtigkeit wurde die Verwesung zwar fast zum Stillstand gebracht, aber der unvermeidliche Prozess hielt trotzdem noch an, wenn auch mit stark reduzierter Geschwindigkeit. Eine Hülle aus Kunststoff hätte die langsam frei werdenden Gase aufgefangen, sich zu einem mit Wärme gefüllten Ballon aufgebläht und den Sinn der Kühlung zunichte gemacht.
    Statt von künstlichen Kokons waren die ruhenden Toten daher mit losen weißen Baumwolltüchern umhüllt. Sah man von der Kälte und dem Geruch ab, hätte man sich vorstellen können, die verhätschelten Gäste eines exklusiven Wellness-Tempels vor sich zu haben, die in der Sauna gemeinsam ein Schläfchen hielten.
    Im Leben war wohl kaum einer der hier Gelagerten je verhätschelt worden, und falls einer tatsächlich ins Innere eines Wellness-Etablissements vorgedrungen war, hatte man ihn mit Sicherheit sofort hinausgeworfen und ihm Hausverbot erteilt.
    Hier waren Verlierer des Daseinskampfes versammelt. Sie waren einsam und unbekannt gestorben.
    Wer durch die Hand eines anderen zugrunde gegangen war, musste laut Gesetz obduziert werden. Das galt auch für alle, die durch einen Unfall, durch Selbstmord, durch eine nicht genau diagnostizierte Krankheit oder durch Ursachen gestorben waren, die nicht offensichtlich und daher verdächtig waren.
    In jeder Großstadt, besonders wenn sie so schlecht funktionierte wie das heutige Los Angeles, kamen die Toten oft schneller im Kühlhaus an, als die überarbeiteten Pathologen mit ihnen fertig werden konnten. Bevorzugt untersucht wurden die Opfer von Gewalttaten, die möglichen Opfer ärztlicher Kunstfehler und jene unter den Verstorbenen, deren Familie auf die sterblichen Überreste wartete, um sie zu bestatten.
    Stadtstreicher ohne Familie und oft auch ohne Ausweis, die an

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