Der Wächter
bedauerlich, einen Menschen wie Roman Castevet töten zu müssen. Als guter Satanist und engagierter Anarchist hatte der Pathologe der Kampagne, die Gesellschaftsordnung zu destabilisieren und ihren Zusammenbruch zu beschleunigen, hervorragende Dienste geleistet.
Leider würden auf Channing Manheims Anwesen bald allerhand schaurige Dinge geschehen, die weltweit einen großen Medienrummel verursachten. Dann gaben sich die Behörden sicher außergewöhnlich viel Mühe, die Person aufzuspüren, die schwarze Schachteln mit boshaftem Inhalt verschickt hatte.
Logischerweise würde man sich an private Bestattungsinstitute und öffentliche Leichenschauhäuser wenden, um die Herkunft der zehn Vorhäute ausfindig zu machen. Und wenn Roman bei diesen Ermittlungen in Verdacht geraten wäre, dann hätte er bestimmt versucht, die eigene Haut zu retten, indem er Corky denunzierte.
Unter Anarchisten herrschte keinerlei Verpflichtung zu wechselseitiger Loyalität, was für Vertreter des Chaos ja auch durchaus angemessen war.
Im Übrigen musste Corky aber auch noch einige andere Kleinigkeiten erledigen, bevor die Weihnachtsfeierlichkeiten beginnen konnten.
Corky hatte die Hände in Latexhandschuhe gesteckt, die er in den geräumigen Ärmeln des Mantels vor seinem Opfer verborgen hatte. Er hätte den Eispickel daher in der Kammer liegen lassen können, ohne sich Sorgen zu machen, dass die Polizei verräterische Fingerabdrücke fand. Trotzdem schob er das Werkzeug wieder in seine Hülle und dann in eine seiner Taschen – nicht nur, weil es ihm eventuell noch einmal dienen konnte, sondern auch, weil es nun einen Erinnerungswert hatte.
Als er das Institut verließ, wünschte er den Dienst habenden Wachleuten am Empfang freundlich eine gute Nacht. Schließlich hatten die Leute die undankbare Aufgabe, die Toten vor den Lebenden zu beschützen. Er verweilte sogar so lange, um ihnen noch einen obszönen Witz über einen Anwalt und ein Hühnchen zu erzählen.
Dass sie irgendwann in der Lage sein würden, der Polizei eine brauchbare Beschreibung seiner Gesichtszüge zu liefern, befürchtete er weniger. Mit seinem Schlapphut und dem zeltähnlichen Mantel war er eine exzentrische, amüsante Gestalt, die allein durch ihren Aufzug in Erinnerung bleiben würde.
Wenn er später zu Hause am Kamin saß und sich einen Brandy schmecken ließ, würde er alle Dokumente verbrennen, die ihn als Pathologen aus Indianapolis auswiesen. Er besaß ja noch zahlreiche weitere Ausweispapiere für andere Identitäten, die er je nach Bedarf einsetzen konnte.
Fürs Erste kehrte er nun in die Nacht und den Regen zurück.
Es war an der Zeit, sich mit Rolf Reynerd zu befassen, der durch sein Verhalten bewiesen hatte, fürs Leben als solches in jeder Hinsicht ebenso untauglich zu sein wie als Star einer Seifenoper.
27
Hätte die Daily Variety , das bunte Fachorgan der Filmindustrie, über Aelfric Manheims Montagabenddinner berichtet, so vielleicht unter der Überschrift:
WEDER FRIKASSEE NOCH FRIKADELLEN FÜR FRIC.
Auf dem Grill war ein schönes Stück Hühnerbrust mit Olivenöl übergossen und mit Meersalz, Pfeffer und einer köstlichen Mischung exotischer Kräuter bestreut worden, die im Palazzo Rospo als »McBee McSecret« bekannt war. Als Beilage zum Hühnchen hatte man Fric Pasta serviert, aber nicht etwa mit banaler Tomatensoße, sondern mit Butter, Basilikum, Pinienkernen und Parmesan.
Monsieur Hachette, der in den feinsten französischen Restaurants ausgebildete Chefkoch, der in gerader Linie von Jack the Ripper abstammte, hatte sonntags und montags frei, damit er unschuldige Frauen verfolgen und aufschlitzen, tollwütige Katzen in Kinderwagen werfen und allen anderen persönlichen Interessen frönen konnte, die ihm gerade Freude machten.
Monsieur Baptiste, der nette Koch, hatte montags und dienstags frei. Am Montag herrschte in der Küche also – wie es im Medienjargon hieß – Sauregurkenzeit, weshalb Mrs. McBee die genannten Köstlichkeiten höchstpersönlich zubereitet hatte.
Im sanft pulsierenden Licht elektrischer Leuchten, die als antike Öllampen daherkamen, aß Fric mutterseelenallein an einem acht Personen fassenden Tisch im gemütlichen Probierraum des Weinkellers, der von dessen temperaturkontrolliertem Teil durch eine Glaswand getrennt war. Hinter dem Glas lagen in endlosen Regalreihen vierzehntausend Flaschen unterschiedlichster Provenienz, die Frics Vater gelegentlich folgendermaßen erläuterte: »Cabernet Sauvignon, Merlot,
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