Der Wächter
nicht, ihre Gefühle richtig auszudrücken. Die Stärke eines durchschnittlichen Supermodels waren Bilder, nicht Worte. Als Schauspieler ging der größte Filmstar der Welt natürlich geschickter mit Worten um als Freddie, aber nur, wenn jemand anders sie für ihn aufgeschrieben hatte.
Nur um etwas zu tun zu haben, bei dem man nicht daran denken musste, brutal ermordet zu werden, suchte Fric in dem vor ihm liegenden Buch nach schweinischen Wörtern. Es entpuppte sich als ein erstaunlich unanständiges Werk.
Nach einer Weile begann er sich zu schämen, weil er diese ganzen schmutzigen Erläuterungen im selben Raum mit einem Baum voller Engel las.
Er stellte das Wörterbuch an seinen Platz zurück und ging zum nächsten Telefon. Weil die Bibliothek derart riesig war, hatte man in allen drei Leseecken Apparate aufgestellt.
Wenn der Schattenpapa einen Journalisten ausnahmsweise eingeladen hatte, ihn zu Hause statt am Set oder an einem anderen neutralen Ort zu interviewen, wies er gern darauf hin, dass die Bibliothek mehr als doppelt so viele Bücher enthalte wie der Weinkeller Flaschen. Anschließend sagte er dann immer: »Wenn ich einmal nicht mehr im Geschäft bin, kann ich mich endlich gemütlich voll laufen lassen und dabei der Bildung frönen.«
Ha, ha, ha.
Fric setzte sich auf die Kante eines der Sessel, griff nach dem Telefon, drückte die Taste für seine Privatleitung und tippte *69 ein. Unten im Weinkeller, als der Mysteriöse Anrufer einfach aufgelegt hatte, war ihm nicht eingefallen, es gleich mit einem Rückruf zu versuchen.
Als er das beim Anruf davor probiert hatte, hatte es nicht funktioniert. Am anderen Ende hatte es nur geläutet, ohne dass jemand abgehoben hätte.
Diesmal war es anders. Beim vierten Läuten hob jemand ab, sagte jedoch kein einziges Wort.
»Ich bin’s«, meldete sich Fric.
Obwohl er keine Antwort bekam, wusste Fric, dass die Leitung nicht tot war. Er spürte, dass am anderen Ende jemand war.
»Wundern Sie sich?«, fragte Fric.
Er hörte, wie jemand atmete.
»Ich hab die Sterntaste und dann neunundsechzig gedrückt.«
Mit einem Mal klang das Atmen seltsam und irgendwie unregelmäßig, so als ob der Mann am anderen Ende von der Vorstellung, durch diesen Trick aufgespürt zu werden, erregt wurde.
»Ich sitze gerade im Badezimmer meines Vaters auf dem Klo«, sagte Fric frech heraus, um festzustellen, ob sein merkwürdiger Gesprächspartner ihn wieder vor dem Unglück warnen würde, mit dem Lügen angeblich bestraft wurden.
Stattdessen wurde er weiterhin bloß angehaucht.
Offensichtlich versuchte der Typ, ihm Angst einzujagen, aber Fric war nicht bereit, diesem Perversling die Genugtuung zu verschaffen, vom Erfolg seiner Taktik zu erfahren.
»Ich wollte noch was fragen«, sagte er. »Wie lange muss ich mich eigentlich vor diesem Puck verstecken, wenn er auftaucht?«
Je länger er dem Atmen lauschte, desto deutlicher erkannte Fric, dass diesem eine besonders beunruhigende Eigenart innewohnte. Es war ganz anders als jenes Schnaufen, das Perverslinge im Film immer am Telefon von sich gaben.
»Wer Moloch ist, hab ich auch nachgeschaut.«
Dieser Name schien den merkwürdigen Typen noch mehr zu erregen. Der Atem ging nun rauer und schneller.
Plötzlich war Fric davon überzeugt, dass das schwere Atmen nicht von einem Menschen, sondern von einem Tier stammte. Einer Art Bär, aber schlimmer als ein Bär. Einer Art Stier, aber nicht so gewöhnlich wie ein Stier.
Wie eine Schlange kroch das Atmen durch die Spiralen des Kabels in den Hörer und von da in Frics rechtes Ohr, als wollte es sich in seinem Schädel zusammenrollen und ihm die Zähne ins Gehirn bohren.
Das Ganze klang überhaupt nicht nach dem Mysteriösen Anrufer. Fric legte auf.
Sofort ertönte sein privater Klingelton: Uuudilihuuudilih-uh .
Er nahm nicht ab.
Uuudilih-uuudilih-uh .
Fric stand vom Sessel auf und ging davon.
An Bücherregalen entlang eilte er auf den Ausgang der Bibliothek zu.
Sein Klingelton verspottete ihn dabei unablässig. An der Leseecke neben der Tür blieb er stehen, starrte auf das dortige Telefon und sah bei jedem Klingeln das Signallämpchen aufleuchten.
Wie alle Bewohner des Hauses, die eigene Telefonleitungen besaßen, war Fric an ein Voicemail-System angeschlossen. Wenn er bis zum fünften Läuten nicht abhob, wurde der Anruf aufgezeichnet.
Obwohl sein Anrufbeantworter momentan aktiviert war, hatte das Telefon aber längst vierzehnmal geläutet, vielleicht sogar öfter.
Fric ging
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