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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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solche Annahme kränkte Dobrynin ein wenig. Kriwizkij dachte doch wohl nicht, dass der Volkskontrolleur nur hierher geflogen war, um Milch-Wodka zu trinken.
    „Nein, Genosse Kriwizkij“, sagte Dobrynin schroff. „Wir sind aufgestanden, um zu arbeiten.“
    „Also, dann setzen Sie sich!“ Der Vorsitzende lächelte kaum merklich und zeigte mit der Hand auf die beiden Besucherstühle auf der anderen Seite des Tisches.
    „Ich werde jetzt besser nach dem Propellerschlitten sehen, er muss aufgetankt werden“, murmelte der Komsomolze mit schläfriger Stimme. Er schlüpfte aus dem Zimmer und ließ Dobrynin mit Kriwizkij allein.
    Der Volkskontrolleur trat zum Tisch, setzte sich auf den ihm angebotenen Stuhl, betrachtete das wunderliche Porträt ein weiteres Mal und begriff endlich, worin sich das Porträt vom Original unterschied, was er im Gefühl gehabt, aber nicht auf dem Bild hatte erkennen können: Auf dem Porträt hatte Kriwizkij ein animalisch männliches Gesicht, willensstark und sogar ein wenig boshaft. In Wirklichkeit aber saß an dem Tisch ein Mann mit rein weiblicher Physiognomie, und das einzig Männliche an ihm, außer der Kleidung und des dünnen Schnurrbarts, war die Stimme, die zwar nicht rau, aber doch ziemlich fest war mit einer Spur von innerer Härte.
    „Arbeiten?“, wiederholte Kriwizkij, ohne den Blick vom Volkskontrolleur abzuwenden. „Und was würden Sie hier gerne machen?“
    Der Volkskontrolleur tastete mit der Hand seine Brust ab, langte in seine Brusttasche und holte daraus die zusammengefaltete Vollmacht hervor, die seine Machtbefugnisse in der gesamten UdSSR bestätigte. Er reichte sie Kriwizkij.
    Der überflog das Dokument.
    „Nun, das weiß ich bereits über Sie, und was würden Sie hier gerne überprüfen? Bei uns gibt es schließlich keine Fabriken oder Werke.“
    Dobrynin dachte nach. In der Stadt gab es tatsächlich keine Fabriken oder Werke, aber aus irgendeinem Grund war er hierhergeschickt worden, das hieß, dass er etwas überprüfen musste, und die Tatsache, dass Kriwizkij ihm solche Fragen stellte, war verdächtig. Es konnte wohl nicht sein, dass der Vorsitzende einer Stadt nicht wusste, was man in seiner Stadt prüfen konnte?!
    „Vielleicht erholen Sie sich einmal ein wenig, sehen sich die einheimischen Bräuche an. Wir organisieren eine Jagd mit dem Propellerschlitten für Sie und schießen einige Rentiere“, schlug Kriwizkij vor.
    Dieser Vorschlag brachte den Volkskontrolleur endgültig dazu, Verdacht zu schöpfen, dass Kriwizkij etwas zu verbergen hatte.
    „Vielleicht kann ich Ihr Leben überprüfen?!“, schlug Dobrynin unerwartet vor und freute sich selbst über diese spontane Idee.
    In Kriwizkijs Gesicht zeigte sich Unzufriedenheit und Befremden.
    „Wessen Leben?“, fragte er.
    „Das Leben der Stadt, ganz allgemein …“
    Der Vorsitzende von Chulajba dachte ernsthaft und gründlich nach. Und während er nachdachte, wirkte sein Gesicht gar nicht mehr so weiblich, weil er dabei die Stirn runzelte.
    „Aber wie wollen Sie das Leben denn überprüfen?“, fragte er nach einer angespannten Pause.
    „Na, indem ich alle befrage, was sie vom Leben halten, was daran gut und was schlecht ist …“
    „Aber es spricht doch fast niemand Russisch!“, rief der Vorsitzende.
    „Sie sprechen Russisch, Zybulnik, Abunajka ebenfalls und auch dieser, wie hieß er nochmal … Urku-Jemze … Ich bitte sie, mir zu erzählen, was die anderen Bewohner denken.“
    Kriwizkij kratzte sich im Nacken, blickte den Volkskontrolleur finster und mit beinahe unverhohlener Feindseligkeit an, dann seufzte er.
    „Aah, mir ist etwas eingefallen!“, sagte er plötzlich und sein Gesichtsausdruck veränderte sich abrupt und wurde fröhlich und optimistisch. „Es gibt etwas zu überprüfen! Ich habe es einfach vergessen!“
    Dobrynin freute sich ebenfalls und in seinem Gesicht blieb dieses Gefühl nicht verborgen.
    „Wir wollen doch einen Kulturpalast bauen!“, erklärte Kriwizkij. „Aus speziellen Eisziegeln. Und das Eis dafür werden wir aus dem Fluss herausbrechen. Der Fluss ist ganz nahe von hier. Omola heißt er. Die Stärke des Eises muss überprüft werden, um festzustellen, ob man die Ziegel schon herausbrechen kann oder ob man noch ein wenig warten muss … Also, könnten Sie die Stärke überprüfen?“
    „Ja, natürlich“, antwortete Dobrynin bereitwillig. „Erklären Sie mir nur, wie und womit ich sie überprüfen soll.“
    „Dann bitte ich unseren Funker, Sie zu der Stelle im

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