Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
wärmen!“, erklärte der Alte.
Alle drei gingen in die blaue Polarnacht hinaus. Dobrynin war bereits drinnen warm gewesen und er wäre natürlich viel, viel lieber sitzen geblieben oder hätte sich vielleicht sogar auf den braunen Pelzboden des Balagans gelegt, aber da er sich an die erste Lenin-Erzählung erinnerte, wollte er dem Hausherrn nicht widersprechen und seinen Vorschlag nicht ablehnen.
„Dort!“ Der Alte zeigte mit der Hand auf einen sichtbaren Feuerschein hinter dem Hügel. „Da gehen wir hin. Dort ist es warm.“
Während sie gingen, fühlte Dobrynin die schneidende Kälte und steckte seine Fäuste tiefer in die Taschen seines Rentierpelzes.
„Es kühlt ab“, sagte Abunajka. „Bald wird es noch kälter!“
„Auch das noch!“, brummte der Komsomolze unzufrieden. Er schwankte beim Gehen, offenbar fiel es seinen wackeligen Beinen schwer, einen so großen und dazu noch betrunkenen Körper zu tragen.
Als sie den Hügel hinter sich gebracht hatten, erblickten sie die Flammen eines großen Feuers, daneben stand eine kleine Schar von Menschen.
„Und warum wird das Haus niedergebrannt?!“, fragte Dobrynin, während er versuchte, mit dem leichtfüßigen Alten Schritt zu halten.
„So muss es sein“, antwortete Abunajka im Gehen. „Wenn Fischer oder Jäger nicht nach Hause kommt, muss man Haus niederbrennen, damit böse Geister dort nicht einziehen … Wenn sie einziehen, dann kommen sie auch in andere Häuser und bringen viel Unglück.“
Von dieser Erklärung verblüfft verlangsamte Dobrynin für einen Augenblick sein Tempo, wartete auf den Komsomolzen, der hinter ihm ging, und fragte ihn:
„Gibt es hier etwa wirklich böse Geister?“
Zybulnik sah den Volkskontrolleur mit einem benebelten, milchigen Blick an.
„Wenige, aber doch …“, brachte er mit Anstrengung hervor. Um das brennende Zelt herum standen die Einheimischen in roten, mit verschiedenen Zierborten gesäumten Rentierpelzen. Als sie Abunajka erblickten, wichen sie zur Seite.
Der Alte trat an die Flammen heran und verbeugte sich tief vor dem Feuer, bis er fast den Schnee berührte. Dann stimmte er ein wehmütiges Klagen in seiner Sprache an, worauf die anderen Einheimischen sich ebenfalls vor dem Feuer verbeugten.
„Was machen sie da?“, fragte Dobrynin den neben ihm stehenden Komsomolzen.
„Wilde Bräuche“, sagte Zybulnik. „Gleich fangen sie an zu tanzen!“
„Und wenn der Hausherr doch noch zurückkehrt, wo wird er dann wohnen?!“, fragte der Volkskontrolleur wieder.
Der Komsomolze zuckte die Achseln.
Die Flammen loderten stärker und der Alte Abunajka klagte und heulte noch immer in seiner Sprache, schwang seine Arme und drehte sich dabei von Zeit zu Zeit herum wie ein aufgezogener Kreisel.
„Ich gehe zurück, hier ist es kalt“, meinte der Komsomolze.
„Wohin zurück?!“, fragte ihn Pawel.
„In den Balagan, wir übernachten heute beim Alten … Kommst du mit?“
Dobrynin dachte nach und beschloss, hierzubleiben und sich die einheimischen Bräuche anzusehen.
„Nun, wie du willst“, meinte Zybulnik, bevor er ging.
Dobrynin kam näher zum Feuer, blieb aber etwas abseits stehen, um Abunajka nicht zu stören, der jetzt irgendwelche Laute ausrief und sich einmal dem Feuer, einmal den einheimischen Zuhörern zuwandte. Plötzlich spürte der Volkskontrolleur, wie ihm jemand auf den Rücken klopfte, und als er sich umdrehte, fühlte er einen Schauer durch seinen Körper laufen – entweder vor Schreck oder vor Kälte.
Hinter ihm stand der Dobrynin bereits bekannte Einheimische, der ihm vor kurzem angeboten hatte, seinen Sack gegen Zobel zu tauschen.
„Zuerst begrüße ich dein glattes Gesicht und deine Weisheit, dann sprechen wir“, sagte der Einheimische und blickte dem Volkskontrolleur in die Augen.
„Guten Tag“, antwortete Dobrynin, verblüfft über die seltsame Anrede.
„Ist der Russe gestern angekommen?“, fragte der Einheimische. „Ich lebe schon lange hier und weiß viel. Ich heiße Waplach …“
Als der Einheimische seinen Namen nannte, erinnerte sich Dobrynin daran, wie der Komsomolze den Burschen genannt hatte, und er wurde nachdenklich, denn diesmal hörte er in dem nicht-russischen Namen nichts Herabwürdigendes. Aber Zybulnik hatte den Namen auch ganz anders ausgesprochen …
„Ich bin ein nicht-einheimisches Volk“, fuhr der Bursche mit dem Namen Waplach fort.
„Wie kannst du denn ein Volk sein?!“, wunderte sich Dobrynin und spürte dabei, wie die angenehme, warme
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