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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Betrunkenheit verschwand und er sich innen wie außen kalt und schwer fühlte. „Ein Volk, das sind viele Menschen, und du bist nur einer …“
    „Nei-ein“, beharrte Waplach stur. „Ich bin das Volk der Urku-Jemzen … Außer mir ist von diesem Volk niemand mehr übrig …“
    Das stimmte Dobrynin nachdenklich. Er hatte noch nie etwas von einem Volk der Urku-Jemzen gehört, aber das wunderte ihn nicht, schließlich hatte er früher auch gedacht, dass das Land gleich hinter Moskau zu Ende war und dort das Ausland begann.
    „Nun also … und wie heißt der Russe?“, unterbrach sich Waplach plötzlich selbst mit einer Frage.
    „Pawel Dobrynin …“
    „Wenn der Russe Dobrynin als einziger Russe übrig ist, heißt das, dass er das russische Volk ist … Und wenn er dann stirbt, dann gibt es kein russisches Volk mehr …“
    Waplachs seltsame Worte verwirrten Dobrynin ein wenig, aber da begann Abunajka, mit lautem Schreien herumzuspringen, und mit jedem Sprung kam er näher und näher an den Volkskontrolleur heran.
    Allmählich verloschen die Flammen und die Einheimischen stimmten ein verhaltenes Klagelied in einem Chor ohne Harmonie an und wiederholten unentwegt die Worte „ojasi-kamuj“. Dobrynins Füße waren kalt, und dann war da auch noch dieser Waplach, der sich als Volk bezeichnete …
    „Das russische Volk wird es immer geben!“, sagte Dobrynin leicht verärgert und müde.
    „Der Russe soll sich nicht kränken, sein Volk wird es immer geben, aber mein Volk stirbt …“
    „Was zum Teufel!“, seufzte der Volkskontrolleur schwer und sah den Burschen stirnrunzelnd an. „Woran stirbt es denn?!“
    „Wenn ich sterbe, stirbt das Volk … und sonst gibt es niemanden von diesem Volk … es wurden alle umgebracht …“
    Dobrynin wollte diesen seltsamen Einheimischen, der sich einbildete, ein Volk zu sein, auf höfliche Weise loswerden, und so räusperte sich der Volkskontrolleur und ging zu Abunajka, der nach seinen Sprüngen um das Feuer in der Nähe Halt gemacht hatte, nun ganz still stand und sich offensichtlich erholte. Dobrynin sagte zu Abunajka:
    „Können wir zurück in den Balagan gehen?“
    „Wir gehen, gleich-gleich gehen wir“, nickte der Alte mit dem Kopf. „Ich bin schon fertig.“
    Dobrynin sah sich um und stellte mit Erleichterung fest, dass Waplach verschwunden war.
    Die Einheimischen verbeugten sich vor dem Alten, verabschiedeten sich von ihm und gingen ebenfalls fort. Der Alte berührte Dobrynin am Arm, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und führte ihn zurück zum Balagan.
    Sie gingen langsam. Der Kopf des Volkskontrolleurs fühlte sich schwer und benebelt an.
    Als sie den Balagan betreten hatten, sahen sie den mit ausgestreckten Armen auf dem Boden liegenden Komsomolzen. Er schnarchte ächzend.
    „Wir müssen ihn ein wenig von hier wegrücken und zudecken“, sagte der Alte geschäftig. „Zybulnik ist schwacher Mensch, er wird sich erkälten.“
    Mit letzter Kraft half Dobrynin Abunajka, Zybulnik zum Bett hinzuschieben und ein paar der Rentierfelle auf ihn zu werfen. Danach setzte sich der Volkskontrolleur erschöpft auf den Fußboden aus braunen Pelzen und schnappte nach Luft. Das Dröhnen in seinem Kopf war verstummt, und er fragte den Alten, ob er noch ein wenig Milch-Wodka habe.
    „Warum ein wenig?!“, wunderte sich der Alte. „Viel habe ich, viel!“ Und wieder kroch er hinter das Bett und holte noch eine Flasche hervor.
    Er leerte Wodka in die Krüge und sie tranken. Wieder breitete sich in Dobrynins Innenwelt sanfte und wohlige Wärme aus, und er tauchte ganz in diese Wärme ein und wusste nun, dass, wenn jetzt auch noch die Hunde bellen würden, sein Glück vollkommen wäre. Und so fragte er den Alten:
    „Genosse Abunajka, bellen deine Hunde?“
    „Sehr selten … sie sind gutmütig, friedlich …“
    „Und könntest du sie zum Bellen bringen?“, fuhr Dobrynin bittend fort.
    „Aber wozu, sie sind gutmütig und friedlich …“, wiederholte der Alte.
    „Ich höre ihrem Bellen doch so gerne zu. Ich habe weit von hier, daheim, einen Hund mit solch klangvoller Stimme … Mitka …“ Der Volkskontrolleur sprach so liebevoll, dass Abunajka, der solche Gespräche nicht gewohnt war, der Mund offen blieb.
    „Russischer weit gereister Gast liebt seinen Hund!“, sagte er erfreut. „Möchte Bellen hören?!“
    „Ja, sehr gern!“
    „Abunajka macht es … Abunajka liebt Gäste …“ Und der Alte verließ den Balagan. Der Komsomolze schnarchte inzwischen

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