Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
Führung unseres großen Vaterlandes begrüßen wir Sie in der Hauptstadt“, sagte der Mann und überreichte Pawel den Strauß Nelken. „Wir bringen Sie jetzt zu Ihrer Dienstwohnung. Dort können Sie sich ein wenig ausruhen, und später holen wir Sie ab und dann – auf zum Kreml.“
Das glänzende schwarze Auto war innen so geräumig wie die Diele einer ordentlichen Hütte. Pawel drückte sich an die Scheibe des hinteren Wagenschlags und verfolgte immer noch die vorbeihuschenden Gebäude und Szenen des städtischen Lebens. Er sah träge zu, und sein Blick belebte sich nur dann, wenn das Auto an einer Kreuzung anhielt und Pawel die Möglichkeit bekam, ein Stück der Hauptstadt im stolzen Zustand des Stillstandes zu sehen. Dieser Stillstand war gleichwohl relativ, denn auf demTrottoir vor den Gebäuden gingen freie sowjetische Menschen ungerührt ihren Angelegenheiten nach und hegten keinerlei Verdacht, dass sie durch ihre Bewegung dem Eindruck, den ein Besucher von der Hauptstadt bekam, einen besonderen Akzent verliehen.
Das Auto hielt sich freilich nicht lange an Kreuzungen auf, sondern bog sehr bald in eine enge Gasse ein, fuhr an einem salutierenden Milizionär vorbei und hielt im Hof eines stattlichen Gebäudes aus Stein, dessen Haupteingang zwei Statuen von Arbeitern zierten.
„Da sind Sie auch schon zu Hause!“, sagte der würdevolle Mann in süßlichem Tonfall und rückte die zur Seite gerutschte bordeauxrote Krawatte wieder zurecht.
„Viktor Stepanowitsch“, wandte sich der zweite würdevolle Mann an den ersten. „Diese Krawatte ist bei Gott keine Dose Heringe wert! Petrenko hat dich übers Ohr gehauen! Gib sie besser zurück.“
Der erste, eben dieser Viktor Stepanowitsch, schaute seinen Kollegen streng an und schüttelte den Kopf.
„Petrenko hat mich nicht übers Ohr hauen können“, sagte er. „Steigen Sie aus, Genosse Dobrynin.“
Pawel und Viktor Stepanowitsch stiegen in den zweiten Stock hinauf. Der diensthabende Hausmeister folgte ihnen, und nachdem er die Wohnung Nummer drei aufgeschlossen hatte, überreichte er Dobrynin den Schlüssel.
„Also, treten Sie ein, sehen Sie sich um …“, sagte Viktor Stepanowitsch. „Und ich binde inzwischen diese dumme Krawatte neu.“
Pawel stellte seinen Reisesack auf den Fußboden, zog im Vorzimmer die Stiefel mitsamt den Fußlappen aus und wollte schon barfuß gehen, aber da bemerkte er drei Paar Pantoffeln in verschiedenen Größen, die in einer Reihe standen. Er schlüpfte in das nächstbeste Paar und trat ein.
Die Wohnung war riesig. Bei jedem Blick zur Decke wurde ihm schwindlig, und Pawel beschloss, nicht mehr nach oben zu schauen. In der Mitte des größten Zimmers stand ein Tisch, vor einer Wand ein Sofa sowie zwei Sessel, vor einer anderen eine spiegelblank geputzte Anrichte mit gemustertem Glas, die drei Jubiläumsvasen mit irgendwelchen Daten und Aufschriften enthielt.
„Nun, wie gefällt es Ihnen hier?“, fragte Viktor Stepanowitsch, als er ins Zimmer kam.
„Ja, es ist fein …“ Pawel wandte sich um.
„Und jetzt kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Arbeitszimmer.“
Sie gingen über einen kurzen Flur und traten durch eine niedrige Tür. Das Zimmer, das sich vor Pawels Augen auftat, war kleiner als das erste, aber bei weitem attraktiver als jenes, da drei seiner Wände mit Bücherschränken verstellt waren und vor dem breiten, hellen Fenster ein wuchtiger Schreibtisch stand, und seine Augen durften sich an einer Schreibtischlampe mit grünem Lampenschirm, an Schreibgeräten und einem respekteinflößenden Telefonapparat erfreuen.
„Hier gibt es eine Sammlung unserer Klassiker“, setzte Viktor Stepanowitsch seine Erläuterungen fort. „Das ist für die Arbeit und zum Nachschlagen. Merken Sie sich, dass Sie über alle Werke von Lenin, Marx und Engels verfügen, alle übrigen Autoren können Sie über das Telefon mittels Direktverbindung bestellen, sollte das nötig sein. Nun, ich denke, es ist alles klar …“
Plötzlich wurde Viktor Stepanowitsch vom Klingeln des Telefons unterbrochen. Er eilte zum Telefon und nahm den Hörer ab.
„Ja … ja, ich bin’s …“, sagte er zu jemandem, sah daraufhin Dobrynin an und machte mit der linken Hand eine nicht ganz verständliche Geste. „Ja … ich denke, nicht lange …“, fuhr er fort.
Dann bedeckte er den Hörer mit der Hand, sah wieder Dobrynin an und sagte in verändertem, weniger höflichen Ton:
„Pawel Aleksandrowitsch, gehen Sie auf den Flur hinaus!“
Pawel wich
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