Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
Robert Rojd auf.
„Ich habe keinen Papa mehr. Deshalb schreibe ich, wovon meine Mama geträumt hat. Geträumt hat sie früher, aber inzwischen träumt sie nicht mehr. Das kommt daher, weil sie sehr krank ist. Aber früher hat sie davon geträumt, Pilotin zu werden und zum Nordpol zu fliegen. Sie hat außerdem davon geträumt, eine bekannte Fallschirmspringerin zu werden und die Rekorde der UdSSR zu brechen. Aber als Papa vergiftet wurde und gestorben war, sagte Mama, dass sie von gar nichts mehr träumen wird, dass alles Gute bereits vergangen ist. Und sie sagte, dass man die Vergangenheit nicht zurückholen kann …“
Weiter las Banow nicht. Das Niederdrückende an diesem Aufsatzes gefiel ihm überhaupt nicht – für eine solche Stimmung der Schüler konnte auch der Direktor büßen – er trug schließlich die Verantwortung für seine Zöglinge. Doch die von Kinderhand beschriebenen Fakten weckten seine Aufmerksamkeit und bekümmerten ihn sogar, auch wenn man an ihrem Wahrheitsgehalt zweifeln durfte, schließlich fantasierten Kinder sehr gerne, wobei sie in beide Richtungen gleich gut fantasieren konnten: sowohl fröhlich als auch tragisch. Auf jeden Fall wollte sich der Schuldirektor diesen Jungen einmal ansehen. Vielleicht war er ja wirklich der Sohn jenes Rojds, und wenn das so war, dann galt es auch etwas über die Vergiftung zu erfahren, sollte sie sich als wahr herausstellen.
Gegen ein Uhr nachts kam ein Lastwagen zum Eingang. Eine Gruppe von Narkompros-Kurieren sammelte die Aufsätze ein. Gut die Hälfte des Wagens war schon mit verschiedenfarbigen Mappen beladen. Ein Bote übernahm gemeinsam mit zwei Soldaten die Mappen von Banow. Sie verabschiedeten sich mit einem Nicken und fuhren davon ohne ein Sterbenswort zu verlieren. Der Direktor folgte ihnen ohne Eile, schloss die Tür ab und verharrte noch kurz im Erdgeschoß, bis der Motor des Lastwagens sich in einer der Gassen verlor. Dann ging er hinauf in sein Büro, setzte Tee auf, zog den Aufsatz von Robert Rojd aus der Tischlade und legte ihn in den schweren, feuerfesten Schrank, der in der Ecke stand.
Am Dienstag brachte Vizedirektor Kuschnerenko gleich nach dem Unterricht einen rothaarigen Jungen in das Büro des Direktors.
„Grüß dich!“, begrüßte Banow ihn laut und stand vom Tisch auf.
„Guten Tag!“, flüsterte der Schüler verlegen, der in der Mitte des Zimmers stehen geblieben war.
„Na, warum stehst du dort, komm her, setz dich doch!“, senkte Banow seine Stimme, da er dachte, dass er vorher zu laut gewesen war.
Der Vizedirektor, der ihm unangebracht zugezwinkert hatte, ging aus dem Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.
Der Junge trat schüchtern näher und setzte sich auf den Stuhl.
„Also, wie heißt du?“, fragte der Direktor.
„Robert …“
„Und ich heiße Wasilij Wasiljewitsch. Weißt du, Robert, worüber ich mit dir sprechen wollte?“, stammelte Banow, der nicht wusste, wie er das Gespräch beginnen sollte. „Ich wollte mit dir über deinen Aufsatz sprechen. Möchtest du Tee?“
Der Junge schüttelte den Kopf.
„Nun, träumt deine Mama wirklich von gar nichts? Hm?“, fragte der Schuldirektor, während er angespannt in Roberts Gesicht blickte.
„N-ein. Sie träumt von nichts …“
„Na, hast du versucht, deiner Mama zu helfen? Hm? Wie siehst du das? Du träumst doch bestimmt von etwas?“
„Ja“, gab der Junge zu.
„Na, wovon träumst du denn?“, wollte Banow wissen, der sich freute, dass das Gespräch ein wenig in Gang kam.
„Ich möchte Pilot werden.“
„Das ist gut. Ich sage dir etwas: Wenn man jetzt von etwas träumt – dann wird es sich ganz gewiss auch erfüllen. Ich selbst habe davon geträumt, in der Kavallerie zu kommandieren, und siehst du, man hat mich zum Schuldirektor ernannt. Das ist deshalb so gekommen, weil es schwierige Zeiten waren. Aber wenn du erwachsen bist, dann wird das eine ganz andere Zeit sein und du kannst Pilot werden. Die Hauptsache ist, daran zu glauben. Verstehst du?“
„Mhm.“ Der Junge nickte und sah zum ersten Mal etwas mutiger in Banows Augen.
„Und was ist mit deinem Vater geschehen?“, fragte Banow unvermittelt und versuchte, eine traurige und ernste Miene aufzusetzen.
„Man hat ihn vergiftet.“ Robert senkte wieder die Augen und starrte auf den Tisch.
„Wer?“
„Die alten Bolschewiken …“
„Das kann nicht sein! Woher weißt du das?!“, entrüstete sich der Direktor.
„Er hat es vor seinem Tod selbst gesagt. Man hat sie zu
Weitere Kostenlose Bücher