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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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geordnet in Mappen abzulegen und im Zimmer des Schuldirektors unter dessen persönlicher Verantwortung aufzubewahren, bis sie ein Narkompros-Bote abholen kommt. Die Aufsätze werden von den Lehrern der Schule weder bewertet noch korrigiert.
    Anhang Nr. 1
    Aufsatzthemen:
    1. Wofür ich mein Vaterland liebe.
    2. Meine Familie – die Erbauer des Kommunismus.
    3. Wovon mein Papa träumt.“
    Nachdem Direktor Banow zu Ende gelesen hatte, goss er etwas Tee in seine Lieblingstasse aus Blech, setzte sich auf die andere Seite des Tisches, damit er das Dserschinskij-Bild sehen konnte, und versank wieder in Gedanken.
    Auf der Uhr, die neben dem Bild hing, war es fast elf Uhr am Abend. Wasilij Wasiljewitsch sollte nach Hause gehen, aber das wollte er noch nicht, und deshalb zog er sein abendliches Teetrinken so weit wie möglich in die Länge.
    * * *
    Es war der 13. September, ein Montag. Die auf der Lehrerkonferenz vorbereiteten Pädagogen waren an diesem Tag adrett und feierlich in die Schule gekommen. Ein jeder stand neben dem Eingang seiner Klasse und teilte Heftbögen für die Aufsätze an die Schüler aus. Die Themen waren noch am Vorabend mit großen Buchstaben auf die Schultafeln geschrieben worden.
    Die Glocke läutete und eine bemerkenswerte Stille legte sich über die Schule.
    Banow kam aus seinem Büro, trat an eine verschlossene Tür und lauschte – es war so leise wie sonst nur nachts. Er ging zu einer anderen – dort war es ebenso.
    Alle arbeiteten und schrieben an ihren Aufsätzen. Die Anordnung des Narkompros wurde ausgeführt und der Schuldirektor kletterte befriedigt durch die Dachbodentür aufs Dach, um einen Rundblick über die von Tag zu Tag wachsende Hauptstadt zu werfen.
    Zunächst betrachtete er das mehrstöckige Haus, das seit nicht allzu langer Zeit, etwa einem Jahr, einen der Kremltürme verdeckte. Sogleich wurde ihm etwas traurig zumute, denn eben danach hatte Wasilij Wasiljewitsch damit aufgehört, die Vorzugsschüler in Leistung und Benehmen zu erzieherischen Zwecken aufs Dach zu führen.
    Hierauf betrachtete der Schuldirektor die anderen Neubauten, die in der Nähe und entfernt zu sehen waren, aber sie weckten keine Gedanken in ihm.
    Die Stadt lärmte. Durch ihre Straßen bewegten sich die Autos wie bunte Käfer.
    Gar nicht weit entfernt flog ein Flugzeug durch den blauen Himmel, wahrscheinlich über Sokolniki.
    Es war ein gewöhnlicher Tag, still und ruhig. In Friedenszeiten bestand der Großteil eines Menschenlebens aus solchen Tagen. Wenn es aber keinen Frieden gab …
    Direktor Banow erinnerte sich an weit zurückliegende Zeiten, in denen es keinen Frieden gegeben hatte, und befeuchtete seine trockenen Lippen. Eine seltsame, aber vollkommen gerechtfertige Frage kam ihm in den Sinn: Warum ist der Kampf interessanter als der Sieg? Sie blieb unbeantwortet wie ein klassisches altrömisches Paradoxon.
    Der Tag aber ging weiter. An allen Schulen der Sowjetunion herrschte Stille, und nur manchmal stieß eines der Kinder einen kurzen Schrei aus, wenn es sein Tintenfass umgestoßen oder versehentlich seine Feder zerbrochen hatte. Dann eilte der Lehrer dem Unglücksraben zu Hilfe, damit er oder sie so schnell wie möglich damit fortfahren konnte, die Anordnung des Narkompros auszuführen.
    Wasilij Wasiljewitsch blickte auf seine Uhr und begann nachdenklich zu nicken. Wie viel Zeit würde noch vergehen, bis sich die Schule leeren würde und alle, sowohl die Schüler wie auch die Lehrer und die Putzfrauen, nach Hause gehen würden?! Drei Stunden, vier oder fünf? Banow liebte seine Schule sehr. Aber er liebte sie dann, wenn in den weitläufigen und sauberen Gängen keine Menschenseele zu sehen war, wenn es in der Schule leise war und im Halbdunkel die roten Notlichtlampen leuchteten.
    Ohne es selbst zu bemerken, döste Banow am Tisch ein, und er wäre bald in tiefen Schlaf gesunken, wenn nicht jemand beharrlich an die Tür seines Büros geklopft hätte.
    „Kommen Sie herein!“, rief Banow und richtete sich an seinem Tisch ein wenig auf.
    Kuprijanow, ein Lehrer der unteren Klassen, trat mit einer blauen Mappe in der rechten Hand ein.
    „Erlauben Sie, Bericht zu erstatten!“, wandte er sich an den Schuldirektor. „In der Klasse 3A wurden dreiunddreißig Aufsätze geschrieben. Niemand hat gefehlt.“
    Der Schuldirektor kam nicht dazu, nachzudenken, denn schon kam ein weiterer Lehrer mit einem Bericht herein und hierauf noch einer, und so dauerte das ungefähr eine Stunde mit kurzen Unterbrechungen

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