Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
Tischchen, öffnete die Keksschachtel und gab dem Vogel einen Keks.
„Verstehen Sie“, sagte Mark mit einem tiefen Seufzer. „Wie soll ich es Ihnen erklären? Nun, gerade hat er ein lustiges Gedicht vorgetragen – Sie haben gelacht, und Ihre Laune hat sich verbessert. Nicht wahr?“
Klawa nickte.
„So muss es auch sein. Schließlich ist das Zirkuskunst. So eine Art Clownerie … Jetzt hat man mir befohlen, ein neues Programm zusammenzustellen, das nur aus ernsten, patriotischen Gedichten besteht. Ich mag solche Gedichte, bin auch bereit sie vorzutragen, aber verstehen Sie, die Menschen, die vor sich einen Papagei sehen, werden lachen. Schließlich ist es den Menschen ganz egal, was ein Vogel sagt. Von einem Papagei erwarten die Leute etwas Lustiges. Das ist nicht nur bei uns so, sondern auf der ganzen Welt …“
Klawas Gesicht, das bezaubernd war und von wirklicher Schönheit, wurde plötzlich ernst und besorgt.
„Ich habe nichts gegen die Idee an sich, verschiedene Genres und Formen der Kunst für Propagandazwecke zu nutzen“, fuhr Mark fort. „Ich bin überhaupt nicht dagegen … Aber stellen Sie sich nur den ‚Roten Flottenmarsch‘ von Aleksandr Besymenskij vor:
„Noch tragen die Völker des Westens die Ketten,
noch hüllen die Wolken das Recht.
Doch rote Fahnen wehen, auch dort wird er stehen
Potemkin, der Kreuzer zum Gefecht …“
„Sie verstehen sicher“, fuhr Mark nach einer Pause fort, „dass es nicht einmal für den Rezitator leicht zu lernen ist, die richtige Betonung zu finden, und dann erst für einen Vogel! Aber dem Volk ist das ohnehin egal! Das Volk wird lachen, weil ein Papagei Gedichte vorträgt …“
Vor lauter Aufregung kam Iwanow ins Schwitzen. Er holte aus der Brusttasche seines Jacketts ein Taschentuch hervor und wischte sich die Stirn ab.
Die Frau schwieg.
Plötzlich gefiel ihr der Reisegefährte gar nicht mehr.
Ausgerechnet jetzt, dachte sie, in Zeiten der Industrialisierung, in Zeiten der Langstreckenflüge, während unser Land täglich das vollbringt, wofür andere Länder hundert Jahre brauchen, da muss man sich beschweren? Jammern? Sich so aufregen, dass man ins Schwitzen kommt, wegen lächerlicher, kleinlicher Probleme?
„Gehen Sie bitte hinaus“, sagte Klawa mit ernster Stimme. „Ich werde mich jetzt umziehen und dann hinlegen.“
Mark stand gehorsam auf. Er setzte Kusma zurück in den Käfig und schloss das Türchen.
Dann ging er hinaus. Der Korridor des Waggons war leer. Die Räder sangen ihr Lied, das klang, als würden sie mit den Schienen einen Abzählreim hersagen.
Vor dem großflächigen, blankgeputzten Fenster zog eine Siedlung vorbei, deren Dächer von hohen Laternen beleuchtet wurden.
„Mag der Sturm uns zerzausen, die Wellen sie brausen“, flüsterte Mark das Ende des „Roten Flottenmarsches“ vor sich hin. „Die rote Flut, sie steigt an. Vorwärts Kommunisten! Zum Endkampf wir rüsten die rote Marine voran! Vorwärts an Geschütze und Gewehre, auf Schiffen, in Fabriken und im Schacht! Tragt über den Erdball, tragt über die Meere die Fahne der Arbeitermacht!“
Nachdem er das Gedicht beendet hatte, lehnte Mark seine Stirn an das kalte Fensterglas.
Es fiel kein Schnee mehr.
Mark zuckte mit den Achseln. Nachdenklich schielte er auf die Tür zu seinem Abteil und überlegte, ob er noch etwas warten oder anklopfen und fragen sollte, ob er schon an seinen Platz zurückkehren konnte.
Kapitel 13
Der Schlaf, der Dobrynins Verstand und Körper während des Fluges in Bann hielt, war so stark wie der berühmte Gewichtheber Schabotinskij, aber seine Kräfte reichten dennoch nicht aus, den Volkskontrolleur bis zur Landung zu umarmen. Daran war zum Teil auch das Pferd Grigorij schuld, das von Zeit zu Zeit Futter verlangte, in der Hauptsache aber die übermäßige Länge des Fluges. Die Stunden verflogen jedoch wie Minuten. Zweimal bemerkte der wach gewordene Dobrynin, wie der Pilot, der schräg vor ihm am Steuer saß, plötzlich seine Tätigkeit unterbrach und die Armbanduhr nachstellte. Unten, jenseits des runden Flugzeugfensters, war etwas Weißes und Formloses zu sehen. Trotz allem empfand Dobrynin in seinen wachen Momenten einen merkwürdigen Stolz auf sich. Er war stolz darauf, dass er auf Anordnung der Führung des Sowjetlandes so weit gekommen war, im Auftrag des Vaterlandes, das jetzt gerade konturlos unter ihm lag und entweder von Wolken und Atmosphäre bedeckt oder tatsächlich so formlos und weiß war.
Die Gedanken an das
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