Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
Heimatland wurden in ihrem Umfang immer kleiner, in dem Sinne, dass das Heimatland in ihnen immer kleiner wurde, bis Dobrynin begriff, dass er nun an sein Heimatdorf Kroschkino dachte, das ebenfalls seine Heimat war, aber eben nur seine kleine, sehr kleine Heimat, die Miniaturheimat sozusagen. Und da tauchte in seinem halbwachen Bewusstsein ein vertrautes Bild auf, das sowohl das Stück Straße mit seinem Haus und Hof zeigte, als auch seine Frau Manjascha, die den Säugling stillte, während sie auf der Bank neben dem Tor saß, sowie Dmitrij, Mitka, seinen geliebten Köter, diesen zärtlichen und schwanzwedelnden, gutmütigen Kerl mit der ständig zerkratzten, feuchten Schnauze und diesem klangvollen Bellen. Und da wurde ihm so warm und behaglich in seinem Halbschlaf, dass Dobrynin die geschlossenen Augen noch fester zudrückte.
„He, du!“, holte ihn ein Zuruf des Piloten zurück.
„Was ist?“, brüllte Dobrynin etwas unzufrieden zurück, um mit seiner Stimme das Dröhnen des Motors zu übertönen.
„Komm her, halt das Steuer fest, ich muss nämlich aufs Klo …“, erklärte ebenfalls brüllend der Pilot, in seinen Worten, aber nicht ohne Respekt.
Pawel ging nach vorne, der Pilot ließ ihn sich auf seinen Platz setzen, zeigte ihm, wie man das Steuer halten musste, und kletterte in das Heck des Flugzeugs, dorthin, wo sich das Pferd befand. Er blieb etwa fünf Minuten lang weg. Dobrynin schliefen die Hände ein und er begriff, dass das Halten des Steuers Schwerarbeit war. Denn erst, wenn man das Steuer in Händen hielt, spürte man das Vibrieren der riesigen Maschine, und man vibrierte mit ihr.
„Genug jetzt, du bist entlassen!“, schrie der Pilot, der wieder vor seinem Platz stand, aber Pawel war es völlig unmöglich, seine Hände vom Steuer zu lösen; sie waren wie angeklebt.
Schließlich half der Pilot Dobrynin, er nahm seine Hände vom Steuer und setzte sich vor die Instrumente.
„Und wo ist hier die Toilette?“, wollte der Volkskontrolleur wissen, der das Vibrieren immer noch in seinen Händen fühlte.
„Dort hinter dem Pferd steht ein Kübel …“, erklärte der Pilot, während er die schwankenden Zeiger der Geräte aufmerksam studierte.
Im Halbdunkel des Frachtraums im Heck des Flugzeugs gelang es Dobrynin nicht sofort, den entsprechenden Kübel ausfindig zu machen. Zuerst wäre er beinahe hingefallen, als er über die Beine des Pferdes Grigorij stolperte, das sich ausgestreckt hatte, aber dann, als sich seine Augen ein wenig an das Halbdunkel gewöhnt hatten, fand er ihn. Nachdem er sein Geschäft verrichtet hatte, kehrte er in die Kabine zurück.
„Wir gehen hinunter!“, rief der Pilot, drehte sich um und deutete mit dem Finger nach unten.
Dobrynin sah wieder aus dem Fenster, konnte aber unten nichts erkennen. Außer, dass sich das unförmige und weiße Etwas, das eine Wolke oder ein Teil des Vaterlandes hätte sein können, tatsächlich vergrößert hatte.
Dobrynin wusste nicht, was der Pilot mit dem Steuer machte, aber das Flugzeug wurde bald auf die Seite geschleudert. Das Pferd Grigorij wieherte erschrocken auf, ja und auch Pawel selbst nahm es den Atem und ihm wurde schwindlig. Es dauerte recht lange, bis Dobrynin sich wieder einigermaßen erleichtert fühlte, und während er noch immer einen bitteren Geschmack im Mund hatte, beugte er sich zum Fenster und blickte nach unten. Dort, gleich unterhalb des Flugzeugs, erstreckten sich Schneefelder und Hügel, und eine Tierherde kreuzte den Weg des Vogels aus Stahl. Ein Stück daneben schlängelte sich eine bläulich wirkende winzige Straße oder ein Band, und, was am erstaunlichsten war, kein einziger Baum und kein einziger Strauch waren zu sehen.
„Wo sind wir denn hier?“, rief Dobrynin dem Piloten zu. Der drehte sich um.
„Bulunajba!“, antwortete er.
„Was?“
„Die Stadt heißt so!“, rief der Pilot.
Wieder sah Dobrynin aus dem Fenster und begann unten eine Stadt zu suchen, aber dort dehnte sich nach wie vor eine Schneewüste aus, und sogar die Tierherde, die vorhin unterhalb des Flugzeugs gelaufen war, hatte sich irgendwo verborgen. Schon wollte er den Piloten noch einmal fragen, diesmal aber strenger, damit dieser nicht wieder mit einer unzureichenden Antwort auf die Frage des Volkskontrolleurs davonkam, aber da erblickte er im Schnee drei kreisförmige Bauten und dachte, dass das die ersten Häuschen der Stadt sein müssten. Die Häuschen blieben jedoch hinter ihnen zurück und vor ihnen glänzte wieder nur die
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