Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
fuhr er los und gewann langsam an Fahrt.
    Iwanow und Klawa saßen einander gegenüber, jeder auf seiner Bank.
    Hell erglühte das Lämpchen an der Decke.
    „Jetzt würde ich gerne lesen!“, dachte Mark.
    „Was raschelt denn bei Ihnen so?“, fragte Klawa, die aufmerksam geworden war und den seltsamen Kegel betrachtete, der auf dem Tischchen stand.
    „Das ist mein Gehilfe“, antwortete Mark. „Wir treten gewöhnlich zu zweit auf.“
    Die Frau lächelte.
    „Ich hoffe, es ist keine weiße Ratte?“
    „Wo denken Sie hin, Klawa? Sehe ich denn aus wie jemand, der mit dressierten Ratten auftritt?!“
    „Aber was ist das dann?“, beharrte die Frau.
    „He, du dort, im Käfig, wie heißt du?“, sagte Mark Iwanow streitlustig.
    „Kusma“, ertönte eine seltsame Stimme, die der einer mechanischen Puppe ähnlich war.
    Die Frau musste lachen. Dann schwieg sie einen Augenblick nachdenklich und fragte:
    „Ein Papagei?“
    „Erraten!“, sagte Mark.
    „Und warum haben Sie ihn so versteckt?“
    „Wir haben doch schon Winter. Und er ist ein zarter Vogel. Gleich zeige ich ihn Ihnen!“
    Und Mark Iwanow beugte sich zum Käfig, öffnete das Türchen, das unter der Stoffhülle nicht sichtbar war, und befahl:
    „Komm doch heraus, Künstler!“
    Zunächst streckte Kusma den Schnabel heraus, dann sah er sich mit seinen runden Äuglein im Abteil um und kam schließlich heraus.
    „Wie groß er ist!“, klatschte die junge Frau begeistert in die Hände. „Und so farbenfroh!“
    Mark gestattete dem Vogel, sich auf seine Hand zu setzen, dann hob er ihn auf die Schulter.
    „Und was sagt er so?“, fragte Klawa bereits mit neckischer Stimme.
    Dieser Mann ihr gegenüber mit den kreisförmigen Vogelaugen und den zurückgelegten, kurzen, leicht gewellten Haaren begann ihr zu gefallen. Er wirkte humorvoll und nett.
    „Nun, was sagt ein Papagei normalerweise?“, antwortete Mark Iwanow mit einer Gegenfrage.
    „Zum Beispiel: Blödmann!“, schlug Klawa lachend vor.
    „Normalerweise ja, aber Kusma ist natürlich klüger …“
    Da kam die Schaffnerin ins Abteil.
    „Möchten Sie Tee?“, fragte sie.
    Klawa und Mark wechselten einen Blick.
    „Ja, bitte!“, antwortete Mark. „Haben Sie vielleicht auch Teegebäck?“
    „Können Sie haben“, versprach die Schaffnerin und ging hinaus.
    „Wo waren wir gerade?“, fragte sich Iwanow laut.
    „Was Papageien sprechen“, erinnerte ihn Klawa.
    „Also gut.“ Mark winkte plötzlich ab. „Ich sage es Ihnen! Unser Kusma tritt mit Gedichten auf!“
    „Was?!“, rief Klawa erstaunt.
    „Na, er lernt auswenig und deklamiert! Es gibt nur einen Haken – er kann die Titel der Gedichte und die Namen der Autoren nicht ausstehen. Und deshalb begleite ich ihn. Er trägt dem Publikum ein Gedicht vor, und dann gebe ich den Titel und den Autor bekannt …“
    „Meinen Sie das ernst?“
    „Aber ja.“ Marks feine Gesichtszüge formten ein halbernstes Lächeln. „Kusma, trag etwas vor!“, wandte er sich an den Vogel.
    Klawa fand das komisch. Sie kicherte.
    „Na, Kusma! Du bekommst einen Keks!“
    Der Papagei drehte den Schnabel zur Seite und fixierte mit dem rechten Auge die einzige Zuhörerin im Abteil.
    „Hm!“, sagte er ganz wie ein Mensch.
    Eine Weile schwieg er, dann trug er vor:
    „‚Oh ja!‘,
    ruft Susi,
    ‚wie ist das schön.
    Wir fahren in die
    Sowjetunion!
    Schwarzen Kaviar
    will ich essen,
    frischen Störfisch
    auch genießen,
    an der Wolga
    Troika fahren,
    Kolchosen locken
    mit Himbeeren an!‘ “
    Klawa klatschte in die Hände und lachte.
    „Was für ein fröhlicher Mensch!“, dachte Mark bekümmert.
    Und aus seinem Gesicht verschwand das Lächeln.
    Die Schaffnerin brachte den Tee und eine Packung „Schachbrett“-Kekse.
    Als sie den Papagei auf der Schulter des Passagiers erblickte, schrie sie erschrocken auf. Beinahe hätte sie den Tee über dem Tisch verschüttet.
    „Sie haben mich vielleicht erschreckt!“, sagte sie und ihr Atem ging immer noch schnell. „Wie können Sie nur?“ Sie lächelte wieder.
    „Fühlen Sie sich nicht gut?“, fragte die junge Frau, nachdem die Schaffnerin gegangen war. Sie hatte den veränderten Gesichtsausdruck ihres Nachbarn bemerkt.
    „Doch, doch“, antwortete Mark sanft. „Trinken Sie Ihren Tee! Wir werden auch gleich Kusma verköstigen. Er hat es sich doch verdient, nicht wahr?“
    „Ja!“, sagte Klara und sah den blaugrünen Vogel an.
    „Nun, dann bitte zu Tisch!“ Mark nahm den Papagei von der Schulter, stellte ihn auf das

Weitere Kostenlose Bücher