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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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der Pilot bedeutungsvoll. „Hier ist alles länger, sowohl die Nacht als auch der Tag.“
    „Das heißt also, dass es jetzt ein halbes Jahr lang dunkel sein wird?“, fragte Pawel nach.
    „Ja“, nickte der Pilot. „Es gibt anscheinend Pläne, hier hochleistungsfähige Elektrizitätswerke zu errichten, um das sowjetische Polargebiet in der Nacht zu beleuchten, aber das ist erst für den siebenten Fünfjahresplan vorgesehen.“
    „Das ist nicht allzu bald …“, nickte der Volkskontrolleur.
    Er bemerkte, dass das Wasser im Topf geschmolzen war, nahm ihn vom Ofen und stellte ihn direkt vor das Maul des Pferdes. Grigorij beugte sich hinab und begann gierig zu trinken.
    „Und was geben wir ihm als Futter …“, fragte Pawel ratlos. „Haben Sie Heu?“
    „Ja, woher denn?!“, antwortete Fjodor betrübt. „Hier gibt es doch gar keine Pferde!“
    „Hör zu.“ Plötzlich lebte Walerij Palytsch auf. „Hast du vielleicht ein Ersatzhufeisen?! Das könnte man hier über der Tür aufhängen!“
    „Nein“, antwortete Pawel mit einem Seufzen. „Man hat mir keines mitgegeben.“
    „Das ist schlecht“, schüttelte der Pilot den Kopf. „Es hätte dort als Glücksbringer hängen können. So wie bei mir zu Hause.“
    „Das macht nichts, uns wird schon etwas einfallen“, beruhigte Fjodor Dobrynin. „Er wird Trockenkekse fressen, man muss sie nur aufweichen. Ich hab hier zehn Dosen und dort im Militärlager gibt es sie in Unmengen.“
    Nachdem der Kontrolleur noch einen halben Topf voll Schnee geschmolzen hatte, schüttete er drei Konservendosen Hartkekse hinein. Dann setzten sie sich zu dritt an den Tisch, um Domino zu spielen. Das Loch, das Grigorij mit dem Huf geschlagen hatte, verdeckten sie mit einer Petroleumlampe, die sie anzünden mussten, da die Dunkelheit durch das Fenster hereindrang. Den bis zum Rand mit Schnee gefüllten Teekessel stellten sie wieder auf den Petroleumkocher und legten ein trockenes braunes Flechtenstück im Ofen nach.
    Das Pferd stand still da, so als würde es verstehen, dass man es füttern würde, sobald das möglich war. Dabei schielte es mit einem Auge nach dem an den Ofen gerückten Kochtopf, in dem die schwärzlichen, runden Trockenkekse schwammen, aufquollen und sich allmählich in etwas Essbares verwandelten.
    Dobrynin lebte beim Spiel auf und seine Laune verbesserte sich. Er hatte im Dorfklub Domino spielen gelernt, ein junger Mathematiklehrer hatte es ihm beigebracht, der zum Kampf gegen den Analphabetismus zu ihnen ins Dorf geschickt worden war. Und jetzt, da er versuchte, die anderen zu blockieren, erinnerte sich Dobrynin dankbar an jenen weißblonden, schmalen Burschen mit der runden Brille, der etwa gleich alt gewesen war wie er. Fast ein ganzes Jahr war er bei ihnen in Kroschkino geblieben, dann hatte man ihn in die tiefste Einöde versetzt, in irgendein Dorf, wo es, so hatte es geheißen, nicht einen einzigen Bewohner gab, der lesen und schreiben konnte.
    Fjodor und Walerij Palytsch spielten eher schwach, das spürte Dobrynin sofort, und bereits nach zehn Minuten gewann er das erste Spiel, indem er seine geliebte Blockade mit dem Doppelsechser legte.
    Auf dem Funkgerät leuchtete plötzlich ein grünes Lämpchen auf, und Fjodor stürzte zum Tischchen, setzte die Kopfhörer auf und ließ sich auf dem Hocker nieder. Dann morste er etwas durch, offenbar eine Antwort auf die Nachricht.
    „Na, was gibt es dort?“, fragte der Pilot, als Fjodor an den Tisch zurückkehrte.
    „In Chulajba hat ein Schneesturm begonnen, es könnte sein, dass er auch zu uns kommt“, antwortete Fjodor.
    Walerij Palytsch stand auf.
    „Ich werde das Flugzeug dichter ans Haus stellen“, sagte er, stülpte sich die warme Fliegermütze über und ging hinaus.
    Fjodor und Dobrynin spielten zu zweit und hörten, wie der Pilot die Propeller anwarf, wovon die einzige Fensterscheibe des Häuschens zu klirren begann. Nach fünf Minuten wurde es wieder still.
    Nachdem Walerij Palytsch zurückgekehrt war, klopfte er sich den Schnee von den Füßen, nahm die Mütze vom Kopf, setzte sich zum Ofen und hielt die Hände über das heiße Eisen.
    „Wir haben Ostwind“, sagte er. „Ich habe das Flugzeug hinter dem Haus abgestellt, sonst wird es noch zugeweht, und bei einer Windböe kann es sogar umgeworfen werden. Ich kenne doch diese Schneestürme.“
    Bald beschlossen sie, schlafen zu gehen. Fjodor warf um den Ofen herum einige gute Rentierpelze auf den Boden.
    „Die hab ich vom Militärlager mitgenommen,

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