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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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klagend.
    „Ja und?“, fragt der Oberdeserteur. „Hast du gesehen, woher er abgestürzt ist?“
    „Ja“, nickt Archipka-Stepan.
    „Auch ich hab es gesehen!“, sagt der bucklige Rechnungsführer.
    „Ich auch! Ich auch!“, lärmen von hinten Stimmen von Männern und Frauen.
    „Na dann gehen wir dorthin! Klar?“, fragt der Oberdeserteur.
    Archipka-Stepan nickt.
    „Na dann, geh los!“, befiehlt der Deserteur. „Sonst meutern die Leute! Wofür sind denn ihre Genossen gestorben?“
    Und die schlecht organisierte Kolonne setzt sich aufs Neue langsam in Bewegung; verschiedenstes Schuhwerk sowie die Hufe der Kühe stampfen auf dem Weg, und die beiden Pferde, die von selbst zu den Menschen zurückgekehrt waren, gehen gehorsam ohne Reiter am Rand des Feldes entlang.
    Nach einiger Zeit führt die unbefestigte Landstraße nach links, die Menschen gehen jedoch weiter geradeaus, und nun haben sie bereits das Feld unter ihren Füßen, weich und nachgiebig, und vor ihnen liegen waldbedeckte Hügel. Und entschlossen führt sie der entflohene Kolchosbauer zum Ziel, ohne seinen Blick von jener Stelle am Himmel, von jener verwaisten schwarzen Lücke zu wenden, die noch vor kurzem der Stern Archipka ausgefüllt hat. Er führt sie und ist immer verbissener und stärker überzeugt davon, dass er sie auch ohne Stern ins Neue Gelobte Land führen wird, wo sie für immer bleiben werden. Und wenn sie von dort überhaupt wieder weggehen, dann nur ins Paradies.

Kapitel 18
    Ein Oktoberabend brach früh herein und die Schule war inzwischen schon leer. Nur im Arbeitszimmer des Direktors brannte noch eine Lampe. Sie beleuchtete den starren Blick des an der Wand hängenden Dserschinskij-Bildes und auch Banow, den Schuldirektor selbst, der grübelnd an seinem Tisch saß und sich von Zeit zu Zeit etwas zur Seite neigte, um einen prüfenden Blick auf den unteren Teil seiner dunkelblauen Hose zu werfen.
    „Teufel aber auch!“, murmelte er, neigte sich wieder zur Seite und schlug mit der flachen Hand kräftig auf seinen Knöchel.
    Dann zog er das Hosenbein hoch und nahm seinen Fuß näher in Augenschein. Etwas kam ihm dort verdächtig vor, und wieder schlug er mit der Hand kräftig nach unten, hob daraufhin etwas Zerquetschtes zwischen Daumen und Zeigefinger zu seinen Augen empor und öffnete langsam und andächtig die Finger. Dort war ein schwarzes Pünktchen zu sehen, ein kleines Insekt, das Wasilij Wasiljewitsch Banow wohlbekannt war. Es war ein Floh, und infolge dieser Erkenntnis kniff der Schuldirektor die Lippen zusammen. Er teilte ihn mit seinem gelblichen Fingernagel in zwei Hälften.
    Banow grübelte noch einige Zeit über die Unannehmlichkeiten seiner Entdeckung nach. Seine Beine juckten schon seit einiger Zeit, aber bis zum heutigen Abend hatte er die Schuld für all die Stiche, für all die roten Pusteln auf Stechmücken geschoben, was sich nun als falsch herausgestellt hatte. Er erinnerte sich, wann er den ersten solcher Stiche in diesem Herbst erhalten hatte. Das war an dem Tag, als er Klara Rojd in ihrer Wohnung kennengelernt hatte.
    Wie kann sie dort nur wohnen?! Das ist doch eine Quälerei!, dachte er mitfühlend. Dann holte er das Firmen-Telefonbuch und blätterte darin. Er fand das Moskauer Hygiene-Institut, griff zum Hörer und wählte die entsprechende Nummer.
    „Hallo – Telefonzentrale!“, antwortete eine Männerstimme in militärischem Ton.
    „Bekämpfen Sie auch Flöhe?“, fragte Banow.
    „Natürlich“, lautete die Antwort am anderen Ende der Leitung. „Nennen Sie mir die Adresse.“
    „Schule Nummer 36, Dajew-Gasse, Direktion …“
    „Passt es Ihnen morgen um drei Uhr Nachmittag?“
    „Geht es auch später?“
    „Natürlich. Wann passt es Ihnen besser?“
    „So gegen sechs Uhr … Und schreiben Sie noch eine Adresse auf. Das ist eine Wohnung. Zweite-Kasatschij-Gasse, Haus 10/3, Wohnung 4.“
    „Nachname?“, fragte die Stimme.
    „Wer?!“ Banow begriff nicht.
    „Des Mieters!“
    Wasilij Wasiljewitsch schwieg einen Moment und überlegte, dann stieß er den Namen wie ein Schimpfwort hervor:
    „Schkarnizkij! Und dort passt es ebenfalls besser am Abend, so gegen sieben.“
    „Gut“, antwortete die Männerstimme.
    „Noch eine Bitte“, fügte Banow hinzu. „Wenn es dort in der Wohnung Nachbarn gibt, behandeln Sie auch deren Zimmer mit.“
    „Wird gemacht!“, antwortete die Stimme. „Auf Wiederhören.“
    Wieder wurde es still. Nur der Fuß juckte, aber Banow hatte genügend Willenskraft, um

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