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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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lassen. Doch zu seinem Bedauern gelang es ihm nicht, sich zu einem Lächeln zu zwingen. »Was für Geheimnisse, Jonathan?«
    »Na, ja… Es ist folgendermaßen. Wenn jemand einem etwas erzählt und einen versprechen lässt, es nicht weiterzuerzählen, weil es geheim ist. Und wenn es so wichtig ist, dass man es trotzdem weitererzählen möchte. Soll man das Geheimnis dann für sich behalten?«
    »Hast du es denn versprochen?«
    »Ja.«
    »Und ist es ein schlechtes Geheimnis? Etwas Verbotenes?«
    »Nun.« Jonathan überlegte. War das Geheimnis, das sein Freund Willie ihm anvertraut hatte, wirklich so schrecklich?
    Es hing mit Alan Seagull und seinem Boot zusammen. Und der springende Punkt war, dass es schneller fuhr als Totton vermutete. Das lag daran, dass Seagull des Öfteren heimliche Fahrten unternahm, bei denen Geschwindigkeit äußerst wichtig war.
    Er schmuggelte Wolle. Obwohl das Geschäft mit Stoffen immer mehr florierte, machte Wolle auch weiterhin den Großteil von Englands Außenhandel und Reichtum aus. Damit die Staatskasse davon profitierte, hatte der König – wie schon seine Vorgänger – befohlen, den gesamten Wollhandel über den großen Umschlaghafen, den so genannten Stapelplatz von Calais, abzuwickeln und eine Wollsteuer zu erheben. Wenn die Mönche von Beaulieu – hauptsächlich über Southampton, aber auch über Lymington – ihre gewaltigen Wollballen verschifften oder wenn Totton den Händlern in Sarum welche abkaufte, landete die Ladung am Stapelplatz und wurde ordentlich versteuert.
    Alan Seagull hingegen arbeitete im Auftrag von Händlern, die es mit der Ehrlichkeit weniger genau nahmen, weshalb seine Fahrten stets nachts stattfanden. Er segelte unbemerkt von Küste zu Küste, zahlte keine Steuern, scherte sich nicht um die Gesetze und erhielt einen guten Lohn dafür. Überall an der Küste gab es Seeleute, die das Gleiche taten, auch wenn es verboten war.
    »Ich könnte jemanden in Schwierigkeiten bringen«, meinte Jonathan nachdenklich. »Aber ich finde, so schlimm ist es nicht.«
    »So wie Wilderei zum Beispiel?«, fragte sein Vater.
    »Ja, so ähnlich.«
    »Wenn du dein Wort gegeben hast, es nicht zu verraten«, sagte Totton, »wird dir niemand mehr vertrauen, falls du es dennoch tust.«
    »Nur…« Jonathan war immer noch unsicher. »Was ist, wenn man es jemandem sagen will, um demjenigen zu helfen?«
    »Wie denn helfen?«
    »Wenn man einen Freund hat, der sich dadurch Geld spart.«
    »Deshalb soll man sein Wort brechen und ein Geheimnis preisgeben? Ganz sicher nicht, Jonathan.«
    »Oh.«
    »Ist deine Frage damit beantwortet?«
    »Ja, ich glaube schon.« Doch Jonathan runzelte weiter die Stirn. Er hätte so gern einen Weg gefunden, seinen Vater zu warnen, ohne dadurch zum Verräter zu werden.
     
     
    In den nächsten beiden Wochen fiel es Alan Seagull zunehmend schwerer, ernst zu bleiben.
    Ganz Lymington schloss Wetten ab. Meist ging es nur um die kleine Summe von ein paar Pence, doch einige Kaufleute riskierten eine Mark oder sogar noch mehr. Der Seemann fragte sich nach dem Grund und kam zu dem Ergebnis, dass keiner ausgeschlossen sein wollte. Einige glaubten, das kleinere Schiff würde auf einer derart kurzen Strecke gegen den größeren Konkurrenten siegen. Manche stellten komplizierte Berechnungen auf Grund des Wetters an. Andere wiederum vertrauten Tottons Urteilsfähigkeit und setzten auf ihn.
    »Je mehr sie reden, desto weniger wissen sie«, erklärte Seagull seinem Sohn. »Sie haben nicht den blassesten Schimmer.«
    Und dann begannen die Bestechungsversuche. Kaum ein Tag verging, an dem der Seemann nicht ein Angebot erhielt. »Ich habe eine halbe Mark auf Euer Boot gesetzt, Alan. Wenn Ihr gewinnt, bekommt Ihr von mir einen Shilling.« Noch interessanter waren die Vorschläge der Leute, die wollten, dass Seagull das Rennen verlor. »Ich kenne die Männer aus Southampton nicht«, gestand ein Kaufmann ihm offen. »Das Ergebnis sicher vorhersagen kann man nur, wenn Ihr versprecht zu verlieren.«
    »Es ist komisch«, meinte Seagull zu Willie. »Die Leute kommen auf einen zu wie die Wellen auf dem Meer, und man kann sie einfach umschiffen. Im Augenblick sieht es aus, als würde ich auf jeden Fall Geld bekommen, ganz gleich, ob ich gewinne oder verliere.« Er grinste. »Es spielt keine Rolle, verstehst du? Vergiss eines nicht, mein Sohn«, fügte er streng hinzu. »Überlass das Wetten den anderen. Halt einfach den Mund und nimm das Geld.«
    Am meisten legte sich Burrard ins Zeug,

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