Der Wald der Könige
Wort mehr über unser Geschäft. Halt den Mund«, befahl er seinem Sohn. Er brauchte Zeit zum Nachdenken.
Jonathan traf seinen Vater schlafend in einem Stuhl in der Halle unter der Empore an.
Seit dem Tod seiner Frau hatte Totton sich angewöhnt, nach der Arbeit auf einem Stuhl auszuruhen, bis er – täglich zur gleichen Zeit – mit seinem Sohn zu Abend aß. Manchmal blickte er nur reglos ins Leere. Hin und wieder döste er auch ein, so wie heute, als Jonathan hereinkam.
Nachdem Jonathan eine Weile still vor ihm gestanden hatte, berührte er ihn am Handgelenk. »Vater?«, sagte er leise.
Totton schreckte hoch und starrte den Jungen an. Obwohl er nicht tief geschlafen hatte, brauchte er einen Moment, um in die Wirklichkeit zurückzukehren. Jonathans Miene zeigte den leicht zweifelnden Ausdruck eines Kindes, das um etwas bittet, ohne sich dabei große Hoffnungen zu machen.
»Ja, Jonathan.«
»Darf ich dich etwas fragen?«
Totton überlegte. Inzwischen war er hellwach, setzte sich auf und versuchte zu lächeln. Wenn die Bitte nicht allzu albern war, würde er seinen Sohn vielleicht damit überraschen, dass er seine Zustimmung gab. Denn er wollte ihm gern eine Freude machen. »Du darfst.«
»Nun. Die Sache ist…« Jonathan holte tief Luft. »Du weißt schon, das Rennen zwischen deinem Schiff aus Southampton und Seagulls Boot…«
»Darüber weiß ich in der Tat Bescheid.«
»Na ja, wahrscheinlich ist er sowieso nicht einverstanden, aber wenn Alan Seagull ja sagt, meinst du, ich könnte dann mit ihm mitfahren?«
»Auf Seagulls Boot?« Totton starrte ihn an. Es dauerte eine Weile, bis er verstand. »Beim Rennen?«
»Ja. Es geht ja nur bis zur Insel Wight«, fügte Jonathan voller Hoffnung hinzu. »Wir fahren schließlich nicht aufs offene Meer hinaus.«
Totton antwortete nicht, denn ihm fehlten die Worte. Er wandte den Blick ab und schaute zur Tür des Wohnzimmers hinüber, wo seine Frau immer gesessen hatte. »Weißt du nicht«, meinte er dann, »dass ich gegen Seagulls Boot gewettet habe? Du willst mit meinem Gegner mitsegeln? Einem Mann, von dem ich wünsche, dass du ihm aus dem Weg gehst?«
Jonathan schwieg. Ihm war eigentlich nur wichtig, mit Willie zusammen zu sein, doch er hielt es für unklug, das zu erwähnen.
»Was werden die Leute dazu sagen?«, sprach Totton leise weiter.
»Keine Ahnung.« Jonathan war enttäuscht. An die Meinung der anderen Leute hatte er gar nicht gedacht. Er war ratlos.
Henry Totton blickte weiter in die Ferne. Er war entsetzt und gleichzeitig verärgert, und er brachte es eine Weile kaum über sich, seinen Sohn anzusehen. »Ich bedauere es, Jonathan«, meinte er schließlich, »dass du offenbar keine Loyalität gegenüber mir oder deiner Familie empfindest.« Die eigentlich nur noch aus mir besteht, fügte er im Geiste hinzu.
Und plötzlich wurde Jonathan klar, dass er seinen Vater gekränkt hatte. Es tat ihm Leid, aber er wusste dennoch nicht, was er tun sollte.
Dann zuckte Henry Totton schicksalsergeben die Achseln – offenbar war es vergebliche Liebesmüh, zwischen ihm und seinem Sohn eine liebevolle Beziehung aufbauen zu wollen. »Tu, was du nicht lassen kannst, Jonathan«, seufzte er verzweifelt. »Fahr mit wem du möchtest.«
Jonathan fühlte sich zwischen der Liebe zu seinem Vater und seinem sehnlichen Wunsch, bei Willie zu sein, hin und her gerissen. Ihm war klar, dass er jetzt vorschlagen musste, zu Hause zu bleiben oder auf dem anderen Schiff zu segeln. Nur so konnte er seinem unnahbaren Vater zeigen, wie sehr er ihn liebte, obwohl er nicht sicher war, ob dieser es verstehen würde. Im Grunde seines Herzens jedoch sehnte er sich danach, mit Willie und dem sorglosen Seemann in ihrem kleinen Schiff, dessen wahre Geschwindigkeit niemand kannte, über das Wasser zu sausen. Und da er erst zehn Jahre alt war, siegte die Sehnsucht. »Oh, danke, Vater«, rief er deshalb, küsste ihn und rannte los, um Willie die Botschaft zu überbringen.
Willie erschien am nächsten Tag. »Mein Vater sagt, du darfst mit«, meldete er fröhlich. Henry Totton war ausgegangen und hörte diese Nachricht nicht.
Nach einem kurzen Aprilschauer war wieder die Sonne hervorgekommen. Da es die beiden Jungen nach dieser Freudenbotschaft nicht im Haus hielt, zogen sie los, um etwas zu unternehmen. Zuerst überlegten sie, ein paar Kilometer nach Norden zu laufen, wo sie in den Wäldern von Battramsley spielen wollten. Doch als der Weg nach etwa anderthalb Kilometern leicht
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