Der Wald der Könige
bergab führte, bemerkten sie etwas auf einer Anhöhe dicht vor ihnen.
»Lass uns zu den Ringen gehen«, schlug Jonathan vor.
Die Stelle, auf die sie zuhielten, war eine Besonderheit in der Landschaft rund um Lymington. Es handelte sich um ein von Erdwällen umgebenes Gelände auf einem niedrigen Hügel, der den nahe gelegenen Fluss überblickte. Obwohl man den Ort als Buckland Rings bezeichnete, hatten die niedrigen, mit Gras bewachsenen Erdwälle eher die Form eines Rechteckes als eines Kreises. In der Keltenzeit, noch vor dem Einmarsch der Römer, hatten sie vermutlich als Festung, als Viehpferch oder sogar als beides gedient. Doch auch wenn die Nachfahren dieser Menschen noch immer in Lymington lebten, war in Vergessenheit geraten, dass vor mehr als tausend Jahren Tiere das süße Gras abgeweidet und Kinder auf den Mauern dieser Siedlung gespielt hatten.
Der Ort eignete sich ausgezeichnet zum Herumtollen. Das Gras war durch den Regen noch glitschig, und Jonathan hatte die Festung gerade zum dritten Mal gegen Willies Angriff verteidigt, als sie einen stattlichen Mann auf sich zureiten sahen. Dieser bemerkte sie, winkte ihnen vergnügt zu, stieg ab und kam näher.
»So«, meinte er. »Ihr zwei kämpft hier an Land, und bald werden eure Väter eine Seeschlacht schlagen.«
Richard Albion war ein ausgesprochen freundlicher Herr. Seine Vorfahren hatten den Namen Alban geführt, der in den letzten beiden Jahrhunderten zu dem leichter auszusprechenden Albion geworden war – so wie ein Bach sich den leichtesten Weg sucht, allmählich sein Bett verändert und weiterhin gemächlich dahinplätschert. Die Albions hatten als adelige Förster ihre Stellung in der ortsansässigen Aristokratie behauptet und gute Partien gemacht. Albions Frau entstammte der Familie Button, die Güter unweit von Lymington besaß. Richard Albion, der die Mitte des Lebens inzwischen überschritten hatte, wies mit seinem grauen Haar und den leuchtend blauen Augen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit seinem Urahn, dem Förster Cola, auf, der vor vier Jahrhunderten hier gelebt hatte. Von Natur aus großzügig, hielt er oft an, um einem Kind einen Viertelpenny zu schenken, und er kannte die meisten Bewohner Lymingtons vom Ansehen. Deshalb wusste er sofort, wer die beiden Jungen waren, die hier bei Buckland Rings spielten. Er plauderte freundlich mit ihnen über das bevorstehende Rennen.
»Werdet Ihr zusehen, Sir?«, fragte Jonathan.
»In der Tat. Das lasse ich mir auf keinen Fall entgehen. Wahrscheinlich wird die ganze Grafschaft kommen. Offen gestanden«, fügte er hinzu, »war ich gerade in Lymington, um selbst eine Wette abzuschließen. Aber ich habe niemanden gefunden, der einschlagen wollte.« Er lachte. »Die ganze Stadt hat schon so viel gesetzt, dass niemand mehr wetten will. Siehst du, was dein Vater angerichtet hat, Jonathan Totton?«
»Und auf wen wolltet Ihr wetten, Sir?«, erkundigte sich Willie.
»Nun«, erwiderte der Adelige wahrheitsgemäß, »ich muss gestehen, dass ich auf den Sieg des Schiffes aus Southampton setze. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich weiß, wer gewinnen wird. Ich stehe nur gerne auf derselben Seite wie Henry Totton.«
»Und« – Jonathan war nicht sicher, ob sich diese Frage gehörte, aber Albion war kein Mann, der auf Förmlichkeiten Wert legte – »um wie viel wolltet Ihr wetten, Sir?«
»Ich habe fünf Pfund geboten«, entgegnete Albion mit einem Kichern. »Und kein Mensch wollte mein Geld!« Er grinste die beiden Jungen an. »Hat einer von euch vielleicht Interesse?«
Jonathan senkte den Kopf, und Willie antwortete in ernstem Ton: »Mein Vater hat gesagt, man darf nicht wetten. Er findet, das tun nur Narren.«
»Ganz recht!«, rief Albion aufgeräumt aus. »Und du sollst immer auf deinen Vater hören.« Mit diesen Worten stieg er aufs Pferd und ritt davon.
»Fünf Pfund«, meinte Jonathan zu Willie. »Das ist viel Geld, um es zu verlieren.«
Die zwei spielten weiter.
Obwohl Alan Seagull seinem Sohn noch nicht verziehen hatte, dass dieser so dumm gewesen war, Jonathan das Geheimnis zu verraten, war er bei Willies Anblick an diesem Nachmittag verhältnismäßig guter Laune. Er hatte gerade das Geld zusammengezählt, das ihm versprochen worden war. Selbst wenn er das Rennen verlor, würde er bei dieser einen Fahrt mehr verdienen als im ganzen letzten Jahr. Und wenn er gewann, würde er durch Burrards Angebot noch größeren Profit machen. Allerdings musste Seagull, der sich für einen
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