Der Wald der Könige
sechs Soldaten und ein Offizier vor der Tür. Sie teilten der unglücklichen Frau mit, dass sie das Haus verlassen müsse.
»Das Haus verlassen? Was soll das heißen? Warum denn?«
»Das Haus ist beschlagnahmt.«
»Auf wessen Befehl?«
»Des Sheriffs.«
»Und ich soll mit meinen Kindern auf die Straße geworfen werden?«
»Ja.«
Die erste Nacht verbrachten sie in einem Gasthof in Salisbury; die zweite bei ihren Verwandten in Hale. Doch am folgenden Tag traf die Nachricht ein, dass sie zurückkehren durften. Es sei ein Irrtum gewesen. Über ihren Besitz war noch nicht verfügt worden.
Allerdings ahnten die Penruddocks nicht, dass Alice Lisle davon erfahren und sofort einen Brief an ihren Gatten geschickt hatte. Sie wusste, dass der Sheriff, ein habgieriger Mann, sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen würde, der Familie Hab und Gut abzunehmen. Deshalb hatte sie ihren Mann gebeten, den Befehl rückgängig zu machen.
Am nächsten Tag brach Mrs. Penruddock mit ihren Kindern zu der drei Tage langen Reise nach Exeter auf. Bei ihrer Ankunft war das Todesurteil – von Cromwell eigenhändig aufgesetzt und unterschrieben – bereits eingetroffen. Anstatt die Verurteilten, wie sonst bei Verrätern üblich, auf grausige Weise zu hängen, zu strecken und zu vierteilen, sollte Penruddock mit einer Axt enthauptet werden. Da die Familie noch nie die Hinrichtung eines Verräters mit angesehen hatte, wusste sie nicht, was für eine Gnade das bedeutete.
In der letzten Woche durften sie den Vater zweimal besuchen. Der erste Besuch entsetzte Thomas sehr. Oberst Penruddock trug das saubere Hemd, das seine Frau ihm mitgebracht hatte. Er sah abgemagert und ausgezehrt aus, wie er da in seiner kleinen Zelle saß. Die Gefängniswärter hatten ihm nur selten gestattet, sich zu waschen, sodass er nach Schmutz stank. Auch nachdem sich der anfängliche Schrecken gelegt hatte, war Thomas bis ins Mark erschüttert. Die kleinen Geschwister betrachteten ihren zerrauften Vater nur verwirrt. Er sprach ruhig und freundlich mit ihnen, segnete sie, küsste sie und bat sie, tapfer zu sein.
»Vielleicht«, hörte Thomas ihn der Mutter zuflüstern, »gibt Cromwell ja noch nach. Aber das glaube ich nicht.«
Beim zweiten Besuch war es noch schwerer. Im Laufe der Zeit steigerte sich die Unruhe seiner Mutter, so sehr sie auch versuchte, sich zusammenzunehmen. Und als der Tag der Hinrichtung näher rückte, klammerte sie sich immer stärker an ihre letzte Hoffnung, Alice Lisle könnte die Rettung bringen. »Ich begreife nicht, warum es so lange dauert!«, rief sie verzweifelt aus. »Die Begnadigung kommt bestimmt noch.« Sie runzelte die Stirn. »Sie muss einfach kommen.« Außerdem sprach sie ständig davon, dass die Männer des Sheriffs sie für zwei Tage aus dem Haus geworfen hatten. »Wenn man sich vorstellt, dass sie so etwas fertig bringen«, murmelte sie.
Sie wussten, dass der zweite Besuch der letzte sein würde. Die Hinrichtung sollte am nächsten Tag stattfinden. Also gingen sie am Nachmittag zum Gefängnis.
Aus irgendeinem Grund gab es eine Verzögerung. Sie mussten eine Weile in einem Vorzimmer warten, und zwar in Gesellschaft des obersten Gefängniswärters, der genüsslich eine Pastete verzehrte. Er hatte einen grau melierten Bart, den er sich schon seit einer Weile nicht mehr gestutzt hatte.
Sie wichen seinem Blick aus, er hingegen musterte sie neugierig. Eigentlich konnte er Royalisten nicht ausstehen, insbesondere nicht die Angehörigen des königstreuen Landadels, zu denen auch die Penruddocks zählten. Also erschien es ihm nur recht und billig, dass der Vater dieser Kinder geköpft werden sollte. Er betrachtete ihre vornehmen Kleider – Spitze und Satin für die Mädchen, der kleinere der beiden Jungen hatte sogar Rosetten an den Schuhen – und überlegte, wie sie wohl aussehen würden, wenn er und seine Männer sie so richtig in die Mangel nahmen. Er stellte sich die Kleider in Fetzen vor, die Jungen mit einem blauen Auge und die Mutter…
Jetzt plapperte die Mutter irgendetwas. Sie hoffte auf eine Begnadigung. Die Frau scherzte wohl. Kein Mensch würde Penruddock begnadigen, so viel wusste sogar ein einfacher Gefängniswärter wie er. Dennoch lauschte er aufmerksam. Sie glaubte, Richter Lisle würde mit Cromwell sprechen. Er hatte von Lisle gehört, war ihm aber nie selbst begegnet. Anscheinend war er ein enger Vertrauter von Cromwell. Die Frau hatte an seine Gattin geschrieben. Eine vergebliche Liebesmüh, die jedoch
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