Der Wald der Könige
die Frauen von Todeskandidaten häufig auf sich nahmen.
»Habt Ihr Lisle gesagt?«, unterbrach er sie lächelnd, um ihr Vertrauen zu gewinnen. »Richter Lisle?«
»Ja, guter Mann.« Aufgeregt wandte sie sich zu ihm um. »Wisst Ihr etwas Neues über ihn?«
Er hielt einen Moment inne, um die Situation auszukosten. »Das Todesurteil Eures Mannes wurde von Lisle ausgefertigt. Habt Ihr das nicht gehört? Er war dabei, als Cromwell es unterschrieben hat.«
Die Wirkung dieser Worte war eine wahre Augenweide. Entsetzen und Verwirrung zerfurchten ihr Gesicht. Innerhalb weniger Sekunden schien sie in sich zusammenzusacken. So etwas hatte er noch nie erlebt. Dass er in Wahrheit nicht die geringste Ahnung hatte, ob sich Richter Lisle zum Zeitpunkt der Urteilsfindung überhaupt in der Nähe von Cromwell aufgehalten hatte, machte die Sache noch besser. »Das ist allgemein bekannt«, fügte der oberste Gefängniswärter hinzu.
»Aber ich habe doch noch einmal an seine Frau geschrieben«, klagte die arme Mrs. Penruddock.
»Es heißt, dass gerade sie besonders hartnäckig auf der Hinrichtung des bedauernswerten Oberst bestanden habe«, fuhr er lässig fort. Die Andeutung, er habe Mitleid mit ihrem Mann, machte seine Aussage noch glaubhafter. Die Frau fiel fast in Ohnmacht. Er zermarterte sich gerade das Hirn nach einer weiteren Möglichkeit, diese unglücklichen Menschen zu quälen, als einer der Wächter meldete, der Gefangene sei bereit.
»Zeit, den Oberst zu sehen«, verkündete er. Und so gingen die Penruddocks hinaus. Da ihnen die Erfahrung mit böswilligen Menschen fehlte, kamen sie keinen Moment auf den Gedanken, dass der Mann sie belogen haben könnte.
Oberst Penruddock hatte alles getan, um sich auf die letzte Begegnung mit seinen Kindern vorzubereiten. Er hatte sich gewaschen und gekämmt und versuchte, gute Laune zu verbreiten. Er sprach fröhlich und ruhig mit ihnen und bat sie, um seinetwillen tapfer zu sein.
»Vergesst nicht«, sagte er, »ganz gleich, welche Schwierigkeiten sich euch noch stellen mögen, sind diese doch gering, verglichen mit den Leiden Jesu Christi. Und wenn die Menschen euch beschimpfen, hat das nichts zu bedeuten, solange Gott der Herr über euch wacht und euch liebt. Seine Liebe ist viel größer als alles, was ihr jemals kennen lernen werdet.«
Dann tröstete er seine Frau, so gut er konnte, und nahm ihr das Versprechen ab, bei Morgengrauen zusammen mit den Kindern Exeter zu verlassen. »Gleich morgen früh, ich flehe dich an. Du musst weit weg von hier sein, wenn der Tag anbricht. Halte erst an, wenn du in Chard bist.« Das war etwa vierzig Kilometer von hier, eine gute Tagesreise.
Mrs. Penruddock nickte und murmelte ein paar Worte. Doch sie wirkte wie benommen. Thomas senkte den Kopf, um seine Tränen zu verbergen, als sein Vater ihn umarmte und ihm wieder sagte, er müsse jetzt tapfer sein. Ehe er wusste, wie ihm geschah, wurde die Zellentür geöffnet, und man führte sie hinaus. Als er noch einen letzten Blick auf seinen Vater werfen wollte, war die Tür bereits geschlossen.
Erst um zehn Uhr abends erwachte Mrs. Penruddock aus ihrer Erstarrung. Die kleinen Kinder schliefen schon in dem Zimmer, das sie im Gasthof miteinander teilten, doch Thomas war noch wach, als sie plötzlich, einen entsetzten Ausdruck auf dem bleichen Gesicht, hochfuhr und ausrief: »Ich habe mich gar nicht von ihm verabschiedet.«
Sie suchte auf dem Tisch nach Feder und Papier. »Ich weiß, dass welches da ist«, murmelte sie vor sich hin. »Ich muss einen Brief schreiben«, fügte sie aufgeregt hinzu.
Thomas brachte ihr alles, was sie brauchte, und sah ihr beim Schreiben zu. Er wusste nicht, was er vom Benehmen seiner Mutter halten sollte. Wenn sie sich zusammennahm und konzentrierte, konnte sie bei der Sache bleiben. Dann aber kam ihr wieder ein banaler Gedanke in den Sinn, und sie verlor völlig den Faden. Genauso war es auch mit diesem Brief, der so gut anfing:
Seit unserem traurigen Abschied habe ich dich nicht vergessen. Ich denke kaum noch an mich selbst, sondern nur noch an dich. Die zärtlichen Umarmungen, die ich immer noch spüre und die mir ewig in Erinnerung bleiben werden… sie sorgen dafür, dass ich den Rest meines Lebens deinem Andenken widmen will…
Doch wenige Zeilen darauf fielen ihr wieder die Männer des Sheriffs ein:
Es ist zu spät, dir zu sagen, was ich für dich getan habe. Wie ich aus dem Haus geworfen wurde, weil ich um Gnade flehte…
Schließlich aber nahm
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