Der Wald der Könige
Kinder, »diesen Kleinen hier den Vater zu nehmen, ganz gleich, was er auch getan haben mag. Schließlich hat er Wagstaff daran gehindert, den Männern in Salisbury etwas anzutun. Er hat noch nie jemandem Schaden zugefügt. Und wenn der Protektor ihn am Leben lässt, wird er ihm sicher sein Ehrenwort geben, sich vom König loszusagen und nie wieder eine Waffe anzurühren.«
»Soll ich das etwa meinem Mann schreiben? Glaubt Ihr, er könnte den Protektor überzeugen?«
»Ja.« Ein leichter Hoffnungsschimmer malte sich auf Mrs. Penruddocks Gesicht. »Würdet Ihr das tun?«
Alice starrte sie ungläubig an. Sie merkte der Frau an, dass sie wieder Zuversicht schöpfte, und sie wusste, dass sie ihr diese nehmen musste. Sie durfte die Familie nicht noch unglücklicher machen, indem sie falsche Hoffnungen nährte. Wieder fiel ihr Blick auf Thomas. Der Junge wirkt vernünftiger als seine Mutter, dachte sie, »Mrs. Penruddock.« Mit finsterem Stirnrunzeln wandte sie sich auch an den Jungen. »Ich muss Euch mitteilen, dass nicht die geringste Hoffnung besteht. Wenn der Richter ihn für schuldig befindet, wird er ganz sicher hingerichtet. Mehr habe ich Euch nicht zu sagen.«
Die Miene der Frau wurde mutlos, aber sie gab noch nicht auf. »Werdet Ihr nicht einmal schreiben?«, flehte sie.
Alice zögerte. Was sollte sie jetzt antworten? »Ich werde schreiben«, entgegnete sie widerwillig. »Aber es wird nichts nützen.«
»Nun, wenigstens hat sie versprochen zu schreiben«, meinte Mrs. Penruddock auf der Rückfahrt zu ihren Kindern.
Und das tat Alice auch, einen langen, leidenschaftlichen Brief. Sie schilderte ihrem Mann die Unterredung und zählte alle Punkte auf, die für Oberst Penruddock sprachen – auch einige, die seiner Frau gar nicht eingefallen waren. Ganz gleich, was Penruddock mit seinem kläglichen Umsturzversuch auch beabsichtigt haben mochte, sie war sicher, dass er Cromwell gegenüber nicht wortbrüchig werden würde.
Einige Tage später traf John Lisles Antwort ein. Er teilte Alices Ansicht und hatte mit Cromwell gesprochen. Doch wie nicht anders zu erwarten, waren ihm die Hände gebunden.
Über Schuld und Unschuld der Rädelsführer würden die Geschworenen befinden. Die Richter, denen sie in Salisbury übel mitgespielt hatten, würden nicht über sie zu Gericht sitzen, da die Möglichkeit bestand, dass sie einen Groll gegen sie hegten.
Falls Penruddock schuldig gesprochen würde – und das schien unausweichlich –, könnte der Protektor ihm einen gnädigen Tod gewähren. Mehr konnte er jedoch nicht tun. Eine Begnadigung von Penruddock würde von anderen Aufständischen als Ermutigung gedeutet.
Im Einzelnen konnte Thomas sich nicht mehr an die folgenden Tage erinnern. Briefe wurden gewechselt, es gab verzweifelte Bittgesuche. Für eine Weile schien es, als wären die Bewährungsstrafen und Begnadigungen, die einige der Aufständischen erhielten, auch auf Penruddock und Grove anwendbar. Doch die entsprechenden Anträge wurden abgelehnt. Dann herrschte Unsicherheit, wie viele der Beteiligten vor Gericht gestellt werden sollten. Im April beschloss man, gegen die in Westengland verhafteten Rebellen in Exeter zu verhandeln, wo sie bereits im Gefängnis saßen. Jeden Tag fragte Thomas seine Mutter: »Wann gehen wir Vater besuchen?«, und stets lautete ihre Antwort: »Sobald er uns rufen lässt.«
Offenbar glaubte sein Vater noch immer, dass seine Frau vielleicht nach London fahren müsse, um sich dort für ihn zu verwenden. Also blieben sie zu Hause und warteten ab. In der dritten Aprilwoche traf eine Botschaft ein. Der Prozess würde bald beginnen. Oberst Penruddock wollte seine Frau sehen.
»Darf ich nicht mitkommen?«, bettelte Thomas. Nicht jetzt, sagte man ihm. Und so musste er wieder einmal untätig zu Hause herumsitzen.
Seine Mutter blieb eine Woche fort, doch Thomas erfuhr das Urteil noch vor ihrer Rückkehr: schuldig. Es hieß, man habe das Todesurteil schon zur Unterschrift an Cromwell geschickt. Die Mutter war außer sich. Penruddock und Grove hatten gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Gleich nach ihrer Ankunft schickte Mrs. Penruddock einen Brief an Alice Lisle. »Bestimmt wird sie etwas für uns tun«, sagte sie. Thomas glaubte nicht daran, denn Alice Lisle hatte nie wieder von sich hören lassen.
Und es folgte noch ein Schicksalsschlag, den sie nicht vorhergesehen hatten. Einen Tag nach ihrer Rückkehr, als sie gerade versuchte, die Kinder zu trösten, standen plötzlich
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