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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Großteil der Gasthäuser geschlossen, weil die Leute dort dem Alkohol zusprachen. Doch Alice fand, dass Oliver Cromwell – mochte dieser auch ein Freund ihres Mannes sein – in krassem Gegensatz zu diesem moralischen Eifer stand. Offenbar spielte er mit dem Gedanken, sich wenn möglich zum König auszurufen. Und das wiederum bedeutete, dass sein Sohn, ein netter, aber schwächlicher junger Mann, ihn als Protektor ablösen würde. Außerdem hatte Alice zu ihrem Entsetzen in Whitehall gesehen, dass die übrigen führenden Familien sich in Seide, Satin und Brokat kleideten – genau wie die royalistische Aristokratie, die sie abgelöst hatten. Alice gewann den Eindruck, dass sich in Wahrheit kaum etwas verändert hatte.
    Zwar schien es in den nächsten Jahren nach außen so, als unterstütze sie treu ihren geliebten Gatten bei der Wahrnehmung seiner vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen. In Wirklichkeit jedoch zog sie sich immer mehr in sich selbst zurück. Sie stellte fest, dass es sie zunehmend weniger kümmerte, welcher politischen Gruppierung jemand angehörte. Ihr waren die menschlichen Qualitäten des Betreffenden wichtiger.
    Als man der armen Mrs. Penruddock einige Monate nach der Hinrichtung des Oberst schließlich als Strafe für den Hochverrat ihres Mannes das gesamte Vermögen abnahm, hatte die Witwe Cromwell um Gnade angefleht. Alice hatte sich leidenschaftlich für die Familie eingesetzt, und zu ihrer Freude erhielt Mrs. Penruddock einen Teil der Güter zurück, sodass sie ihre Kinder ernähren konnte.
    »Ich weiß nicht, warum du dich so um diese Leute kümmerst, denen du ganz sicher gleichgültig bist«, meinte Lisle.
    Weil Penruddock, so irregeleitet er auch gewesen sein mag, charakterlich zehnmal so viel wert war wie jeder unserer Freunde, hätte sie am liebsten erwidert. Doch stattdessen küsste sie ihren Ehemann und schwieg.
    Was ihr allerdings an der Regierung des Commonwealth gefiel, war die Toleranz in religiösen Fragen, auch wenn sie sich nicht auf die katholische Kirche erstreckte. Denn als gute Protestantin durfte sie diese einfach nicht dulden. Papismus war gleichbedeutend mit der Versklavung anständiger Menschen durch gerissene Priester und die Inquisition; er verkörperte Aberglaube, Rückständigkeit, Götzenverehrung und die Herrschaft ausländischer Mächte. Doch was die verschiedenen protestantischen Glaubensrichtungen anging, bewies der strenge Cromwell eine bemerkenswerte Freizügigkeit. Er hatte den Presbyterianern verboten, den anderen ihren Glauben aufzuzwingen. Unabhängige Kirchen, die ihre eigenen Geistlichen einstellten und Gottesdienste nach ihrem Gutdünken abhielten, waren gestattet. Und gute Prediger, die sich von ihrer persönlichen religiösen Erfahrung inspirieren ließen, wurden ermutigt. Alice mochte diese Prediger. Die meisten von ihnen waren aufrichtige Männer. Kaum auszudenken, wie es diesen Leuten unter König Karl ergangen wäre! Man hatte sie zum Schweigen gebracht, von Haus und Hof verjagt, eingesperrt oder ihnen sogar die Ohren abgeschnitten. Wenigstens in dieser Hinsicht, so fand Alice, hatte England Fortschritte gemacht.
    Und dann starb Cromwell unerwartet.
    Kein Mensch hatte damit gerechnet; man hatte geglaubt, er würde noch viele Jahre leben. Sein Sohn Richard versuchte zwar, in seine Fußstapfen zu treten, doch er war für diesen Posten nicht geeignet. Alles würde gut werden, meinte John Lisle gegenüber seiner Frau. Schließlich gab es genügend weise Männer wie ihn selbst, um die Regierung zu beraten. Aber Alice schüttelte den Kopf. Sie glaubte nicht an diese Lösung.
    Und sie behielt Recht. Allerdings war selbst sie erstaunt, wie rasch alles auseinander fiel. Die Zustände, auf die die Gentlemen des Sealed Knot zur Zeit von Penruddocks Aufstand gehofft hatten, traten nur wenige Jahre später wirklich ein. Nach der kurzen Regierungszeit der Generalmajore hassten die Menschen die Armee. Und auch die Armee war in sich gespalten. Das Parlament wollte endlich wieder etwas zu sagen haben. Die royalistischen Adeligen witterten Morgenluft. Unter den richtigen Bedingungen, so sagten immer mehr Leute, würde man mit einem König möglicherweise besser fahren. Schließlich kamen General Monk, ein Vertreter von Ruhe und Ordnung, und die Stadt London, die die Armee gründlich satt hatte, überein, das alte Regime wieder einzusetzen.
     
     
    Der junge Karl II. war bereit. Er war durch eine harte Schule gegangen. Falls er die seltsamen Vorstellungen

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