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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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seinen Vorfahren war auch sein Kinn nur schwach ausgeprägt. Sein immer noch schwarzes Haar trug er zu einem Zopf geflochten. Meist blickte er fröhlich drein, doch heute trug er eine ernste Miene zur Schau. Denn Isaac Seagull hatte Sorgen.
    Der Schmuggel in der Umgebung des New Forest wurde im großen Ausmaß betrieben und war gut organisiert. Schiffe lieferten aus den verschiedensten Häfen die Waren an, hauptsächlich aus Dünkirchen, wo der Handel mit Holland abgewickelt wurde, aus Roseoff in der Bretagne und von den Kanalinseln Jersey und Guernsey. Die größten Schiffe hießen Lugger. Sie hatten nur wenig Tiefgang und viel Frachtraum. Normalerweise fuhren sie in bewaffneten Verbänden. Wenn die Lugger einem der wenigen Zollschiffe begegneten, drehten sie entweder bei und ruderten davon, oder sie flüchteten ins Wattenmeer, wohin ihre Feinde ihnen nicht folgen konnten. Manchmal benutzten die Schmuggler auch schnelle Klipper, die einfach nicht einzuholen waren.
    Während der Überfahrt war der Kapitän für das Schiff oder den Verband zuständig. Nach dem Löschen wurden die Waren von einer großen Karawane abgeholt und verteilt. Und diese Arbeit wurde vom Schauermann überwacht.
    Isaac Seagull war der für den New Forest verantwortliche Schauermann.
    Hinter ihm jedoch stand ein Mensch, den kaum jemand zu Gesicht bekam. Er streckte das Geld vor, kaufte die Waren auf und heuerte die Schiffe an: der Unternehmer.
    Niemand kannte seinen Namen. Und wer eine Vermutung hatte, behielt diese tunlichst für sich. Da der Gemeindeschreiber von Lymington die Bücher der Schmugglerbande führte, war er sicher im Bilde. Der örtliche Gutsverwalter, der die Beiträge der Bauern und Kaufleute einsammelte, die sich an dem Unternehmen beteiligen wollten, wusste sicher auch, wer er war. Und da der Schmuggel in großem Rahmen betrieben wurde, musste es sich um einen reichen Mann handeln, bestimmt um einen Adeligen.
    Grockleton hatte Mr. Luttrell in Verdacht. Er besaß ein prächtiges Anwesen namens Eaglehurst, jenseits von Mr. Drummonds Gut Cadland, dort wo der Solent auf die Bucht von Southampton trifft. Mr. Luttrell hatte sich einen Turm gebaut, von dem aus er den ganzen Solent und die Insel Wight überblicken konnte. Dass einige der Brandylieferungen bei Luttrells Turm gelöscht wurden, stand außer Zweifel. Allerdings war dieses Treiben für ihn bestimmt nur ein Zubrot. War Luttrell wirklich die graue Eminenz hinter dem Schmuggel an der Küste des New Forest? Möglicherweise waren es sogar mehrere Adelige – oder alle gemeinsam.
    Der Freihandel lief nach festen Regeln ab. Den höchsten Gewinn erzielte man mit Brandy, weshalb er mit Vorliebe geschmuggelt wurde, und zwar nach folgender Methode:
    Ein Fass Brandy hatte in London einschließlich Steuern einen Einzelhandelspreis von etwa zweiunddreißig Schilling, also doppelt so viel wie in Frankreich. Wenn ein Freihändler ihn um dreißig Prozent billiger verkaufte, blieb ihm eine Differenz von ungefähr zwanzig Prozent. Außerdem hatte er die Gewissheit, dass er seine gesamten Bestände schnell und gegen Bares losschlagen konnte. Nach Abzug der Frachtkosten und weiterer Verbindlichkeiten ergab das einen Gewinn von zehn Prozent des Umsatzes.
    Also machte sich bei einigen Schmuggelfahrten pro Jahr sein Kapitaleinsatz mehr als bezahlt.
    Dank Isaac Seagull funktionierte die Verteilung ausgezeichnet. Noch nie war eine seiner Fuhren abgefangen worden.
    Warum also zuckten seine Mundwinkel besorgt, als er nun über die Marschen blickte?
    Der Unternehmer hatte für das kommende Jahr große Pläne – wirklich sehr große. Es durfte kein Fehler passieren, und Seagulls Aufgabe als Schauermann war es, Missgeschicke zu vermeiden.
    Aber es drohten einige Gefahren. Wenn die Berichte stimmten, würden im nächsten Jahr einige Abteilungen Dragoner in die neue Kaserne in Christchurch einziehen, was unabsehbare Folgen haben konnte. Es war noch zu früh, um zu sagen, aus wie viel Mann diese Truppen bestehen würden. Doch es war ratsam, umfangreiche Lieferungen vor ihrem Eintreffen abzuwickeln.
    Und dann war da noch Grockleton. Manche Zollbeamte waren bestechlich, Grockleton aber nicht. Isaac empfand eine gewisse Achtung vor diesem Mann, der sich dem Kampf stellen wollte.
    Was war, wenn Grockleton einen Spion hatte, der für ihn arbeitete? Einen, der bei den Freihändlern aus und ein ging? Diese Möglichkeit musste ernsthaft erwogen und überprüft werden.
     
     
    Nathaniel Furzey lebte bei den Prides

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