Der Wald der Könige
gelacht hatten, als er ihr davon berichtete.
Nathaniel entdeckte in Oakley noch weitere spannende Dinge. Schon in Minstead hatte er hin und wieder die Packpferde der Freihändler gesehen. Und an der Küste unweit von Oakley war in dieser Hinsicht noch viel mehr geboten. Ihm fiel auf, dass Andrews Vater gelegentlich über Nacht wegblieb, bei Morgengrauen, sein Pony am Zügel, vergnügt zurückkehrte und wortlos einen Sack Tee auf den Küchentisch warf.
Eines Morgens kamen drei berittene Offiziere nach Oakley und machten sich daran, Prides Holzstoß am Dorfanger zu durchsuchen. Amüsiert sah Pride zu, wie sie alles auseinander nahmen. Es war eine schwere Arbeit, die den ganzen Vormittag in Anspruch nahm. Als Grockleton gegen Mittag erschien, musste er feststellen, dass sie nichts gefunden hatten.
»Ich will hoffen, dass Ihre Herren Offiziere das Holz so wieder aufstapeln, wie es zuvor geschichtet war, Mr. Grockleton«, meinte Pride.
»Das glaube ich nicht, Mr. Pride«, erwiderte Grockleton kühl, und damit blieb diese mühevolle Arbeit an Familie Pride hängen.
Eines Tages begegnete Nathaniel dem Zollinspektor Grockleton höchstpersönlich. Es war etwa zwei Wochen nach der Pockenimpfung. Nach der Schule waren er und Andrew Pride nicht wie sonst an Mr. Gilpins Haus vorbei zurück nach Oakley gegangen. Stattdessen nahmen sie den anderen Weg, der zur Kirche von Boldre führte.
Ihr Ziel war Haus Albion, wo Prides Tante als Haushälterin arbeitete. Andrew hatte Anweisung, der würdigen Dame nach der Schule einen Besuch abzustatten, und Nathaniel begleitete ihn gern. Schließlich wohnte hier die junge Dame, die ihn zu der Impfung überredet hatte. Außerdem war es ein großes Haus, ein Herrensitz. Noch nie hatte Nathaniel ein solches Gebäude betreten.
Gerade trabten sie die Straße zur Kirche entlang, als sie hinter sich ein Pferd hörten. Sie drehten sich um und sahen Grockleton näher kommen. Als er sie eingeholt hatte, beugte er sich freundlich zu ihnen herunter und fragte, wohin sie denn wollten.
Abgesehen von seinen klauenähnlichen Händen machte der Zollinspektor einen recht einnehmenden Eindruck – falls er nicht gerade auf der Jagd nach Schmuggelware war. Als er hörte, dass Haus Albion ihr Ziel war, holte er einen versiegelten Brief aus der Jackentasche und meinte lächelnd: »Wollt ihr beide euch zwei Pence verdienen?«
»Das würde jeder von uns gern«, erwiderte Nathaniel blitzschnell.
Grockleton zögerte kurz und kicherte. »Also gut. Das ist ein Brief von meiner Frau an den alten Mr. Albion. Könnt ihr den für mich abgeben?«
»O ja, Sir«, riefen die beiden Jungen im Chor.
»Damit erspart ihr mir einen Weg.« Er suchte das Geld heraus und sagte dabei beiläufig: »Aber jetzt müsst ihr euch sputen. Ihr wisst doch sicher, wie man einen Brief abgibt.«
»Für zwei Pence bin ich bereit, überall im New Forest Briefe abzugeben«, erwiderte Nathaniel im Brustton der Überzeugung.
»Gut. Hier habt ihr das Geld.«
Er reichte ihnen die Münzen und blickte ihnen nach. Doch er ritt nicht sofort weiter, so als ob ihm plötzlich ein Gedanke gekommen wäre. Eine ganze Minute rührte er sich nicht von der Stelle und starrte den Jungen hinterher. Als Nathaniel sich umdrehte, bemerkte er, dass Mr. Grockleton ihn gedankenversunken ansah.
Oxford! Endlich in Oxford. Da lag es vor ihnen. Seine Türme und Kuppeln erhoben sich aus dem leichten Morgennebel, der über den großen, grünen Wiesen hing. Sanft schlängelte sich der Fluss an den Colleges vorbei. Oxford am Fluss Isis, wie die Themse auf dieser Etappe ihrer langen Reise heißt. Fanny und Louisa gaben sich keine Mühe, ihre Aufregung zu verhehlen.
»Und wenn ich mir vorstelle, Fanny, meine liebste, beste Freundin!«, rief ihre Cousine Louisa aus, »dass wir beinahe gar nicht gefahren wären.«
Wie hübsch Louisa heute aussieht, dachte Fanny erfreut. Schon immer hatte sie Louisas dunkles Haar und ihre leuchtenden braunen Augen bewundert. Heute Morgen war ihre Cousine, die gleichzeitig ihre beste Freundin war, ganz besonders reizend anzuschauen.
Beinahe wäre die Reise wegen einer Erkrankung abgesagt worden. Daran war nicht etwa der alte Francis Albion schuld, den seine Schwester durch Strenge von der Schwelle des Todes zurückgeholt hatte und der sich nun wieder bester Gesundheit erfreute. Nein, Louisas Mutter, Mrs. Totton, die sie eigentlich hätte begleiten sollen, hatte sich durch einen Sturz eine so schmerzhafte Zerrung am Bein zugezogen,
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