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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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in Oakley. Die Prides waren eine zufriedene, lebhafte Familie, und er hatte sich rasch mit Andrew angefreundet. Andrews Vater besaß eine kleine Kuhherde und war außerdem im Holzhandel tätig. Er veräußerte es dann weiter. Seine Ware hatte er am Rande des Dorfangers von Oakley gestapelt.
    In den ersten Wochen bei den Prides hatte Nathaniel sich von seiner Schokoladenseite gezeigt. Doch bald war der Flegel in ihm wieder zum Vorschein gekommen, und seitdem heckte er ständig neue Streiche aus.
    Denn der kleine Nathaniel Furzey mit seinem Lockenschopf langweilte sich rasch. Das Lernen in der Schule fiel ihm so leicht, dass er für gewöhnlich mit seinen Aufgaben schon fertig war, wenn die anderen Kinder gerade einmal die Hälfte erledigt hatten. Mr. Gilpin war daher sogar versucht gewesen, ihm ein wenig Latein beizubringen.
    »Was soll ich Ihrer Ansicht nach tun?«, hatte er einen Glaubensbruder gefragt. »Der Junge ist nicht nur klug wie der kleine Andrew Pride, sondern überdurchschnittlich begabt, ein geborener Gelehrter, der sein Leben in Oxford oder in Cambridge verbringen könnte.« Er seufzte. »Wenn Sir Harry Burrard oder die Albions die Kosten übernehmen würden, könnte ich sie bitten, den Kleinen auf eine gute Schule zu schicken. Natürlich nur, falls die Eltern einverstanden wären. Aber…«
    »Damit würden Sie ihn von seiner Familie und seinen Freunden im New Forest trennen«, entgegnete sein Glaubensbruder. »Und falls er scheitert…«
    »Wäre er gestrandet wie ein Schiff auf einer Sandbank.«
    »Das meine ich auch.«
    »In Städten ist es weniger schwierig. Wenn er in Winchester oder in London leben würde…«, überlegte Gilpin. »Aber vermutlich ist unser ganzes Land so. Bäume wachsen tief im Wald. Wunderschöne Bäume, die Tausende von Eicheln hervorbringen. Und nur aus einer von einer Million entsteht ein prächtiges Möbelstück. Natur ist Verschwendung.«
    »Wahr, Gilpin. Allerdings auch Englands Reichtum. Wir haben genug davon.«
    Also beließ der Vikar den kleinen Nathaniel in der Dorfschule und hoffte, dass er als Erwachsener ein ruhiges Leben im New Forest führen würde. Doch im Augenblick war der Junge schwerer zu hüten als ein Sack Flöhe.
    Sein reger Verstand brütete ununterbrochen neue Streiche aus. Andrew machte zwar gerne mit, aber selbst er erstarrte angesichts der ausgeklügelten Gemeinheiten, die Nathaniel ausheckte, zuweilen vor Schrecken. Die letzten Opfer seines Freundes waren die Furzeys gewesen.
    Obwohl Nathaniel auch den Namen Furzey trug, machte er sich bald die Einstellung der Prides gegenüber ihren Nachbarn zu Eigen. Selbst wenn man vergaß, dass sie damals Alice Lisle verraten und eine Tragödie verschuldet hatten, fanden die Prides, dass Caleb Furzey ein wenig an geistiger Trägheit litt. Überdies war er ausgesprochen abergläubisch. »Ich trage immer etwas Salz bei mir«, erklärte Furzey, »um es über meine Schulter zu werfen.« Nach Burley setzte er keinen Fuß »wegen der Hexen«. Überall sah er Unglücksboten. Wenn er eine einsame Elster erblickte, sprach er sie sofort an. Leitern wurden sorgfältig umrundet. Und beim Anblick einer schwarzen Katze ohne weiße Flecken – »Hexenkatze« – ergriff er sofort die Flucht.
    Und nun hatte Nathaniel eine schwarze Katze gefunden. Sie war schon tot und auch nicht ganz schwarz, denn sie hatte ein paar weiße Haare am Kinn. Nachdem er einen Mann gefunden hatte, der sie für ihn ausstopfte, und den weißen Fleck mit Tinte übermalte, sah sie ziemlich echt aus. Dann machten sich Andrew Pride und er an die Arbeit.
    Plötzlich stieß Caleb überall auf die schwarze Katze. Wenn er durch den Wald ging, stand er ihr auf einmal gegenüber. Und da er sich sofort vor Schrecken abwandte, bemerkte er die Schnur nicht, mit der sie wieder ins Gebüsch gezogen wurde. Also nahm er einen anderen Weg, wo die Jungen ihm erneut eine Falle stellten. Am nächsten Tag erschien die Katze an Calebs Fenster. Doch Nathaniel übertrieb es nicht. Tage vergingen, in denen Caleb sich sicher wähnte, und dann tauchte das Tier zu seinem Entsetzen wieder wie aus heiterem Himmel auf. Bald suchte ganz Oakley nach dem geheimnisvollen Tier. Schließlich schöpfte Andrews Vater Verdacht, verabreichte den beiden Jungen ein paar Kopfnüsse und verhalf der ausgestopften Katze zu einem diskreten, aber anständigen Begräbnis. Die Sache wurde mit keinem Wort mehr erwähnt. Die beiden Missetäter erfuhren nie, dass der Holzhändler und seine Frau Tränen

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