Der Wald der Könige
die Verbrennung«, entgegnete er finster und nahm wieder Platz. »Jetzt hätte ich gern ein Stück Walnusskuchen, Mrs. Grockleton«, meinte er dann.
Martell, der diese Beherztheit sehr bewunderte, knüpfte ein Gespräch mit seinem Gastgeber an und erkundigte sich geradeheraus, ob im New Forest viel geschmuggelt werde.
»Genauso wie in Dorset«, entgegnete der Zollinspektor.
Da Martell genau wusste, dass von Sarum bis nach Dorset und Westengland wahrscheinlich keine einzige versteuerte Flasche Brandy im Umlauf war, beschränkte er sich auf ein Nicken. »Und wird man den Schmugglern je das Handwerk legen?«, fragte er.
»An Land vermutlich nicht«, antwortete Grockleton. »Und zwar aus dem einfachen Grund, dass man dafür zu viele Leute bräuchte. Wie bei allen Belangen unserer Nation, Sir, ist das Meer der Schlüssel. Unsere Landstreitkräfte nützen uns meistens nicht viel.«
»Sie wollen mit Hilfe von Schiffen die Waren auf dem Meer abfangen? Dann müssten sie aber schnell und bis an die Zähne bewaffnet sein.«
»Und gut bemannt, Sir.«
»Würden Sie Kapitäne der Marine einsetzen?«
»Nein, Sir. Schmuggler, die sich aus dem Geschäft zurückgezogen haben.«
»Gesetzesbrecher im Dienste der Krone?«
»Auf jeden Fall. Das war bis jetzt immer erfolgreich. Sir Francis Drake und seinesgleichen, damals zu Zeiten der guten Königin Elisabeth, Sir, waren samt und sonders Piraten.«
»Pfui, Mr. Grockleton!«, rief seine Frau aus. »Was redest du da?«
»Nur die Wahrheit«, entgegnete er spöttisch. »Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss mich umziehen.« Er stand auf und verließ mit einer Verbeugung den Raum.
»Nun«, meinte Mrs. Grockleton, offenbar enttäuscht von ihrem Gatten. »Was werden Sie jetzt bloß von uns denken, Mr. Martell?«
An Stelle einer Antwort merkte Martell ruhig an, er habe vom wachsenden Erfolg ihrer Akademie gehört.
»Aber ja, Mr. Martell. Da bin ich ganz Ihrer Ansicht. Louisa, erzählen Sie Mr. Martell doch von unserer kleinen Schule.«
Louisa sah ihn mit großen Augen an und schilderte mit dem angemessenen Ernst den Kunstunterricht und die weiteren Bildungsveranstaltungen, welche die Akademie zu bieten hatte.
»Darüber hinaus«, ergänzte Mrs. Grockleton, »unterrichte ich persönlich die Mädchen in Französisch. Zudem lasse ich sie die Werke der wichtigsten Schriftsteller lesen. Im letzten Jahr war unsere Lektüre…« Ihr war der Name entfallen.
»Racine?«, schlug Louisa vor.
»Aber ja, Racine. Der muss es gewesen sein.« Sie strahlte ihre ehemalige Schülerin anerkennend an. »Ohne Zweifel sprechen Sie fließend Französisch, Mr. Martell?«
In diesem Augenblick hatte Martell das deutliche Empfinden, dass er genug von Mrs. Grockleton hatte. Er sah sie verständnislos an.
»Vous parlez français, Mr. Martell?«
»Ich, Madam? Nein, kein Wort.«
»Sie enttäuschen mich. In der besten Gesellschaft… Hat Eduard nicht erzählt, Sie hätten sich mit dem Grafen unterhalten?«
»Das ist richtig, Mrs. Grockleton. Aber wir haben nicht Französisch gesprochen, sondern Latein.«
»Tatsächlich?«
»Gewiss. Ich bin sicher, dass Sie den jungen Damen auch Latein beibringen.«
»Aber nein, Mr. Martell. Das nicht.«
»Ich bedauere, das zu hören. Unter gebildeten Menschen… Nach den Schrecken der Revolution, Mrs. Grockleton, haben viele Leute Abscheu gegen die französische Sprache entwickelt. Meiner Ansicht nach wird man an den Höfen Europas bald nur noch Latein sprechen. Wie schon in den alten Zeiten«, fügte er mit Gelehrtenmiene hinzu.
»Nun.« Zum ersten Mal in ihrem Leben fehlten Mrs. Grockleton die Worte. »Ich hätte nie gedacht…«, stammelte sie. Plötzlich erhellte sich ihr rundes Gesicht, und sie hob den Zeigefinger. »Mir deucht, Mr. Martell«, meinte sie mit einem viel sagenden Lächeln. »Mir deucht, dass Sie mich auf den Arm nehmen wollen.«
»Ich, Madam?«
Inzwischen war ein drohendes Funkeln in ihre Augen getreten. Martell wurde bewusst, dass diese sich selbst sehr wichtig nehmende Dame ohne ein Quäntchen Skrupellosigkeit und Schlauheit wohl niemals Leiterin einer Akademie geworden wäre. »Mir deucht, Sie wollen mich verspotten.«
Es war an der Zeit, einen Rückzieher zu machen, wenn er sich in Lymington keine Feinde schaffen wollte. »Ich gestehe«, erwiderte er deshalb mit einem charmanten Lächeln, »dass ich zwar ein wenig Französisch spreche, aber vermutlich nicht genug, um Sie zu beeindrucken, Madam. Also gebe ich es nicht gerne zu.
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