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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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den er innerhalb eines Jahres ins Haus gebracht hatte. Der erste war ein junger – wenn auch ein wenig unreifer – Bursche gewesen, der einmal ein großes Vermögen erben würde und mit Edward in Oxford studierte. Ein anderer Kommilitone, den Edward mit der Aussicht auf die Pferderennen am Ort hergelockt hatte, hatte tatsächlich starkes Interesse an Louisa gezeigt – so stark, dass er zudringlich wurde, nachdem er zu viel getrunken hatte, sodass man ihm die Tür weisen musste. Dennoch hatten diese Begegnungen Louisas Menschenkenntnis geschärft und ihr begrenztes Wissen über die Außenwelt vermehrt. Auch wenn sie es selbst wohl nicht so unverblümt ausgesprochen hätte, empfand sie diese Besuche als willkommene Abwechslung.
    Martell hingegen unterschied sich sehr von besagten jungen Herren. »Mit dem lässt sich nicht spielen«, meinte ihr Bruder, denn er vermutete, dass sie sich vor dem strengen Großgrundbesitzer fürchtete.
    »Ich habe ihn beobachtet«, erwiderte sie. »Er ist stolz – aber schließlich hat er allen Grund dazu. Und er amüsiert sich gerne.«
    »Also hast du vor, ihn zu amüsieren?«
    »Nein«, entgegnete sie nachdenklich. »Doch ich werde ihn glauben machen, dass ich es tun würde.« Sie blickte zur Tür. »Da kommt er ja.«
    Martell war ausgezeichneter Stimmung. Anfangs war er nicht sicher gewesen, was ihn im Haushalt eines Kaufmannes in der Provinz erwartete. Doch jetzt war er angenehm überrascht. Das stattliche Haus im georgianischen Stil verfügte über eine breite Auffahrt und Seeblick. Es hatte etwa die Größe eines Pfarrhauses und entsprach dem Heim des jüngeren Bruders eines Gutsbesitzers, eines Admirals oder eines Mannes in vergleichbarer Stellung. Mrs. Totton hatte sich als hübsche Frau und Angehörige seines Standes entpuppt, die mit einigen ihm bekannten Familien verwandt war. Mit Edwards Vater, dem Kaufmann, hatte er zwar erst ein paar Worte gewechselt, hielt ihn aber für vernünftig, umgänglich und für einen Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Martell beschloss, dem jungen Edward den Kopf zurechtzurücken, falls dieser mit seinem gesellschaftlichen Stand hadern sollte, denn er hatte allen Grund, stolz auf seine Eltern zu sein.
    »Zuerst besichtigen wir die Stadt«, schlug Edward vor, als Wyndham Martell sich zu ihnen gesellte. Und da das Wetter schön war, beschlossen sie, zu Fuß zu gehen.
    Gemächlich schlenderten sie die High Street hinunter durch Lymington. Martell bewunderte die Läden – Swateridge, der Uhrmacher, Sheppard, der Büchsenmacher, und Wheelers Porzellanhandlung –, betrachtete das Messingschild am Haus des angesehenen Arztes und stellte fest, dass der Kaufmann Mr. St. Barbe sogar eine Bank eröffnet hatte. Die Geschwister erzählten ihm, dass viermal pro Woche aus London die Post gebracht und im Angel Inn abgegeben wurde. Die Postkutsche bewältigte die rund fünfundzwanzig Kilometer nach Southampton in nur zweieinhalb Stunden. Martell war gebührend beeindruckt.
    Sie gingen zum Kai, wo einige kleine Boote vertäut waren. Nach einem Umweg über die Salzgärten kehrten sie rechtzeitig zum Abendessen nach Hause zurück.
    Mr. Totton und seine Frau legten Wert auf eine hervorragende Küche. Als Vorspeise gab es eine leichte Erbsensuppe mit Brot. Darauf folgte ein Fischgang, nach dem schließlich der Hauptgang serviert wurde: Rinderbraten, Truthahn in Pflaumensauce, gedünstetes Wild und gebratener Sellerie. Die Männer tranken Claret. Und Louisa, die zu Hause für gewöhnlich Johannisbeerwein bevorzugte, genehmigte sich mit ihrer Mutter ein Gläschen Champagner.
    Bei Tisch wurde angenehm geplaudert. Mrs. Totton erzählte von den Hirschen im Wald und dem kürzlichen Besuch des Königs und schilderte dem Gast die Sehenswürdigkeiten. Louisa, in deren Augen Martell trotz ihres bescheidenen Betragens den Schalk funkeln sah, berichtete von den Stücken, die im Theater gegeben wurden und von den Leistungen der Schauspieler.
    Edward erwähnte die Rennbahn, die gerade oberhalb von Lyndhurst gebaut wurde. »Wir veranstalten hier nicht nur Pferderennen, Martell«, fügte er hinzu. Ein besonders launiger Herr am Ort besaß einen Rennochsen, den er sogar selbst ritt und mit dem er andere zum Rennen herausforderte.
    Als der zweite Gang serviert wurde – Kartoffelpüree, Sardellentoast, geschmorte Tauben und Gebäck –, dämmerte Martell die Erkenntnis, dass die Küstenstadt am New Forest vermutlich eine der hübschesten Gemeinden in England war, deren Vertreter

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