Der Wald der Könige
grundsolide. Er wird Wachs in Euren Händen sein.«
»Aber ich nicht in seinen«, entgegnete Adela hitzig.
»Nehmt Euch zusammen und hütet Eure lose Zunge. Oder wartet wenigstens, bis Ihr verheiratet seid.«
»Außerdem«, wandte Adela entsetzt ein, »sieht er aus wie Walter!«
Ihre Begleiterin seufzte auf und warf Adela einen tadelnden Blick zu, den diese jedoch nicht bemerkte. »Euer Vetter ist kein hässlicher Mann.«
»Für mich schon.«
»Wollt Ihr Sir Fulk etwa abweisen, wenn er um Eure Hand anhält? Eure Familie, das heißt Walter, könnte darauf bestehen, dass Ihr sein Angebot annehmt!«
»Ach, sobald Sir Fulk sieht, wie ich wirklich bin, wird er sofort einen Rückzieher machen.«
»Ich fürchte, Ihr verhaltet Euch unvernünftig.«
»Habt Ihr denn gar kein Verständnis für mich?«
»Darum geht es doch nicht.«
»Meint Ihr etwa, ich sollte mich opfern?« Anklagend sah Adela die ältere Frau an. »Habt Ihr bei Eurer Hochzeit die Zähne zusammenbeißen müssen?«
Ihre Begleiterin schwieg eine Weile. »Nun, ich sage Euch eines«, erwiderte sie schließlich. »Falls es so war, hat mein lieber verstorbener Mann nie etwas davon bemerkt.«
Adela dachte eine Weile über diese Antwort nach und nickte dann reumütig. »Bin ich vielleicht zu dumm, um einen Mann zu finden?«
»Mag sein«, entgegnete die Witwe. »Doch das ist bei den meisten Mädchen so.«
Der Heiratsantrag kam am nächsten Tag. Adela lehnte ihn ab. Eine Woche später traf Walter Tyrrell ein.
»Sie hat Sir Fulk einen Korb gegeben?«
»Vielleicht war er ja nicht der Richtige«, meinte die Witwe nachsichtig.
»Ohne meine Erlaubnis. Was stimmt denn nicht mit ihm? Er besitzt zwei ertragreiche Güter.«
»Möglicherweise lag es an etwas anderem.«
»Er ist ein sehr stattlicher Mann«, stellte Tyrrell fest.
»Ohne Zweifel.«
»Ein Skandal! Ich nehme diese Zurückweisung persönlich.«
»Sie ist noch jung, Walter. Ich mag sie.«
»Dann sprecht Ihr mit ihr, denn ich weigere mich. Aber sagt ihr eines«, fügte der erboste Ritter hinzu. »Wenn sie noch einen ehrbaren Freier ausschlägt, werde ich sie ins Kloster von Romsey bringen. Dann kann sie den Rest ihres Lebens als Nonne fristen. Teilt ihr das mit.« Er bedachte seine alte Freundin mit einem angedeuteten Handkuss und stürmte davon.
»Seht Ihr«, meinte die Witwe eine Stunde später zu Adela. »Er droht Euch mit dem Kloster von Romsey.«
Adela konnte ihre Erschütterung nicht verbergen. »Was ist denn das für ein Kloster? Kennt Ihr jemanden dort?«, fragte sie entsetzt.
»Es geht dort ziemlich vornehm zu. Hauptsächlich adelige Damen. Und ja, ich kenne eine Nonne dort, eine angelsächsische Prinzessin namens Edith – eine der letzten Nachkommen unseres Königshauses. Ihre Mutter ist mir ebenfalls gut bekannt. Edith ist ungefähr in Eurem Alter.«
»Gefällt es ihr im Kloster?«
»Wenn die Äbtissin nicht hinsieht, reißt sie sich die Tracht vom Leibe und trampelt darauf herum.«
»Oh.«
»Ich an Eurer Stelle würde nicht dort eintreten, wenn Ihr nicht wirklich Nonne werden wollt.«
»Das will ich auf keinen Fall.«
»Dann solltet Ihr besser dafür sorgen, dass Ihr einen Ehemann findet. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Passt nur auf, dass Ihr nicht noch mehr Herren wie Sir Fulk ermutigt.« Die Witwe, die Mitleid mit Adela hatte, fügte hinzu: »Ich glaube nicht, dass Walter diese Drohung wirklich in die Tat umsetzen wird.«
»Warum?«
»Weil es ihn wahrscheinlich ein ordentliches Sümmchen kosten würde, Euch im Kloster von Romsey unterzubringen.«
Der Herbst führte nur wenige Besucher nach Winchester. Dann kam der November. Die Blätter waren von den Bäumen gefallen, der Himmel wurde grau, und über die Hügel wehte häufig ein bitterkalter Wind. Nirgendwo war ein heiratswilliger Junggeselle in Sicht. Manchmal erinnerte sich Adela an den New Forest und wünschte sich beinahe zurück nach Christchurch, in die Zeit ihrer gemeinsamen Ausritte mit Edgar. Oft dachte sie an Hugh de Martell. Doch das erwähnte sie nie, nicht einmal gegenüber ihrer freundlichen Gastgeberin. Der Dezember kam. Es hieß, es werde bald Schnee geben.
Adela war wie vom Donner gerührt, als sie aus der Kathedrale trat, in Richtung Westtor ging und plötzlich ihren Vetter Walter erblickte. Er trug eine kecke Jagdkappe mit einer Feder und stand neben einer eleganten, geschlossenen Kutsche. Gerade machte sich eine in einen Umhang gehüllte Dame, auf seinen ausgestreckten Arms gestützt, daran, das
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